Irgendwie sind die letzten drei Wochen wie im Flug vergangen! Zuerst das Finale der OCR Series in Nimwegen, dann die OCREC (OCR Europameisterschaft) in Dänemark und schon stehen wir wieder vor einem echten Highlight, der Spartanrace Europameisterschaft im französischen Morzine. „Living on the edge“… hat Aerosmith mal gesungen. So fühle ich mich im Moment!
Um 02:30 Uhr sind wir angekommen, wenige Stunden geschlafen und nun stehen wir im Startbereich, kurz vor einem der Saisonhighlights, dem Beast in den Bergen Morzines. Die Gemeinde Morzine liegt an der Schweizer Grenze zum Kanton Wallis, 32 km nördlich der Mont Blanc-Gemeinde Chamonix und es ist bergig hier, verdammt bergig!
Viele von euch kennen Morzine als Durchgangsort der Tour de France, bei der meist eine Bergwertung auf einem der zahlreichen, Morzine umgebenden Berge, vergeben wurde.
Nun sind wir hier und wollen die Europameisterschaft laufen! Unser Verein ist mit Annette, Claudia, Sigi, Sophia, Mike, Denny, Steven, Markus, Florian und mir wieder zahlreich vertreten. Alexandra unterstützt uns auf der Strecke. Außerdem starten auch unsere ganz speziellen Freunde des Vereins Marc Sund, Andreas Röcker und Till Zimmermann, die uns über die Jahre ans Herz gewachsen sind.
Wir haben alle unterschiedliche Startzeiten, aber alle müssen die gleiche Strecke bewältigen. Der Veranstalter hat schon bekannt gegeben, dass es über 1900 Höhenmeter und ca. 23 Kilometer sein werden. Ein herausfordernder Beast! Aber wie hart das wird, sollen wir erst noch erfahren!
Das Rennen
Der Start ist (wie immer beim Spartanrace) sehr schnell und die Ersten sprinten als gäbe es kein Morgen. Ich halte mich zurück, denn ich habe gelernt, dass ein Rennen nicht auf den ersten 2km gewonnen, wohl aber verloren werden kann. Nach wenigen Metern geht es schon sanft bergauf und wir müssen die Over-Unders und die ersten Holzhürden überspringen, alles noch kein Problem.
Nun biegt die Strecke Richtung Berge ab und jetzt merke ich, dass mein Puls rast obwohl der Anstieg immer noch relativ „human“ ist. Ein paar weitere Hindernisse kann ich problemlos überwinden, dabei ist auch die „Z-Wall“, welche mich in Florenz noch Burpees gekostet hat. Bisher läuft es nicht schlecht und ich halte mich im ersten Drittel meiner Altersklasse. Nun kommt ein (für mich) echtes Highlight. Wir müssen unterhalb eines wunderschönen Wasserfalls durchs Wasser waten (etwa hüfttief) und über ein Cargonet einen Felsen nach oben klettern. Ich frage mich „Wieso ist hier keiner der Fotographen von Sportograf“?
Der Spaß soll aber bald vorbei sein, denn jetzt folgt der erste Hammeranstieg! Mit kleinen, zügigen Schritten versuche ich die steile Waldpiste nach oben zu kommen, was unheimlich Kraft kostet und den Puls auf über 160 treibt! Das soll jedoch heute eher die untere Grenze sein, wie ich im Nachhinein weiß!
Die Hindernisse, die uns Spartanrace hingestellt hat sind für mich willkommene Abwechslung zum Quälen am Berg. Übrigens Respekt an den Veranstalter! Die haben sich die Mühe gemacht auch an entlegenen Stellen komplexe Hindernisse aufzubauen. Teilweise in atemberaubender Landschaft! Ich kenne viele, gute Hindernisläufe, aber ich kenne wenige die in so tollen Gegenden wie das Spartanrace stattfinden. Einfach klasse!!!
Aber zurück zum Leiden! Meine Beine Brennen und ich schaue auf die Uhr. Ich habe eine Stunde für 5,5km gebraucht! Das kann doch nicht sein! Ist aber so! An so extremen Steigungen macht man kaum Strecke!
Immer wenn es für ein paar Meter etwas flacher wird und ich motiviert zu Laufen anfange, ist das Hochgefühl gleich wieder vorbei, denn wieder müssen wir einen Skiberg, einen steilen Waldweg oder durch felsiges Gestein nach oben steigen! An Laufen ist da nicht zu denken! Es ärgert mich, dass ich bei den Anstiegen Leute überhole, meine gewonnenen Plätze jedoch bei den extrem steilen Downhills wieder verliere. Was machen die Anderen nur besser? Vielleicht sollte ich mich doch mal um meine Trail-Technik kümmern…..verdammt! Wieso fällt mir das erst bei der Europameisterschaft auf? Egal, weiterleiden und Schnauze halten!
Ich denke an den alten „Van Halen“-Klassiker „Standing on top of the world“ als ich ganz oben am Berg über das Cargo-A-Frame steige und mein Laufkollege aus Tschechien einem Italiener die Trailschuhe ins Gesicht tritt, bei dem ungestümen Versuch eine Rolle über das Cargo-Net zu machen. Irgendwie ist es hier oben immer so romantisch und friedlich…..
Längst haben sich hier die verschiedenen Startwellen durchgemischt und ich weiß nicht wer zu meiner Altersklasse gehört. Irgendwie ist mir das aber bei meiner heutigen, mehr als dürftigen Leistung auch egal.
Nach einer Downhill-Passage geht es wieder nach oben, nur um dort das typische Klirren der Chains (Ketten) zu hören. Klar, wir müssen einen Chain-Carry über zahlreiche Höhenmeter nach oben machen und die Kette unversehrt wieder zurück bringen. Anstrengend, aber ich wundere mich…..“wo bleibt eigentlich mein obligatorischer Krampf nach so vielen Höhenmetern“?
Wenn man sich den Berg hinauf quält freut man sich auf das Runterlaufen. Während ich jedoch die steilen Downhills laufe (oder soll ich „kriechen“ schreiben, da ich gefühlt die Hälfte auf allen Vieren nach unten steige) ist nichts von erfüllter Freude zu merken. Ich fühle mich wie ein grummeliges Murmeltier das zu lange im Flachland verbracht hat und sich nun drüber ärgert, dass seine Artgenossen schneller zum Futter laufen können.
Na wie auch immer…. an der Mittelstation gibt es einen See und ich freue mich darauf! Wir müssen einen Holzstamm (Log) auf die Schulter nehmen, mit diesem zum See laufen und durch den See schwimmen, ohne den Zahnstocher zu verlieren. Das ist auch nicht besonders schwer, da Holz bekanntlich schwimmt. Man muss es nur in der Richtung halten. Das frische Nass tut mir gut.
Ich will euch nicht langweilen mit den ganzen Hindernissen. Ihr kennt diese von zahlreichen Spartanraces……nur soviel…. Ich muss keine Burpees machen! Die würden mir gerade noch fehlen! Ich krieche, laufe und sehe auf meiner Uhr, dass ich bereits über 21 Kilometer geschafft habe und laut und deutlich höre ich die Musik des Festivalgeländes. Doch ich wage es nicht mich zu freuen, zu Recht! In der Ferne sehe ich auf einem Berg Ameisen kriechen….oh Mein Gott das sind keine Ameisen, das sind Menschen. Und die schleppen nicht Beuteinsekten sondern Sandsäcke! Des war so klar!
Bald bin ich beim Ausgangspunkt der nächsten Leidensgeschichte, werfe mir das 25-Kilo-Pad auf den Rücken und nun beginnt meine! In 10cm-Schritten kämpfe ich mich nach oben. Anfangs battle ich mich noch mit schwachen Frauen, den Alten meiner Agegroup und den von Krämpfen Geplagten. Mein persönliches Battle heißt „länger nicht absetzen als meine Low-Potential-Gegner“. Es geht immer nur nach oben und ich sehe kein Ende! Also wende ich einen genialen Trick an! Ich schau einfach nicht mehr hoch, sondern nur noch vor meine Füße. Ich freue mich erst über jeden Meter, dann über jeden Schritt, dann über jedes erfolgreiche Knie-Heben. Ja, ich setze ab, 6-Mal! Und tatsächlich habe ich den Berg irgendwann geschafft und kann wieder nach unten steigen (mit den bereits angesprochenen Murmeltier-Problemen, nur dass ich noch etwas auf dem Rücken habe).
Eigentlich brauche ich jetzt, bei dem Ablegen des Gewichtes jemanden zum Anmotzen. Aber nein, es gibt einen Spartan-Code „Master your emotions“ und ich lächele und bedanke mich bei dem Volunteer für die schöne Aussicht oben.
Ich habe Durst und mein Trinkrucksack ist leer. Egal, jetzt sind es nur noch zwei Kilometer (gespickt mit Hindernissen), aber das ist egal. Die Hindernisse machen Spaß und das Ziel kommt immer näher. Speer klappt ohne Burpees und ich habe nur noch das Multirig vor mir. Heute komme ich ohne Burpees ins Ziel, denke ich und rutsche am Multirig ab! Das ist mir schon seit Jahren nicht mehr passiert, aber ok. Ein Beast ohne Burpees wäre ja auch langweilig. Ich muss während der Burpees über meine Unkonzentriertheit lachen und denke mir „Selber schuld“.
Im Ziel empfange ich die Medaille und sehe auf meine Uhr…. 4:59 Stunden für 23 Kilometer. Eine Katastrophe! Aber ok, ich bin im Ziel!
Till empfängt mich im Ziel und ich freue mich mit ihm, denn er ist in seiner Altersklasse Dritter! Eine Mega-Leistung! Bald treffen wir Sophia, welche sich den Abschuss geleistet hat.
Die hat ihre Altersklasse gewonnen! Ich freue mich so sehr, dass ich es nicht verhindern kann, dass meine Augen feucht werden. Kann aber auch an den Kontaktlinsten liegen……
Wir haben im Verein eine Europameisterin! Ich bin mega-stolz!
Facts zu unseren Ergebnissen:
Annette – 48te Elite in 06:05:11 (mit verletztem Bein)
Claudia – 50te ihrer Altersklasse in 6:00:21
Sigi – 17te ihrer Altersklasse in 5:29:23
Sophia – 1te ihrer Altersklasse und damit Europameisterin!!! in 4:29:37
Mike – 40ter seiner Altersklasse in 4:17:45
Denny – 105ter seiner Altersklasse in 5:39:15
Steven – 14ter seiner Altersklasse in 3:51:03
Markus – 45ter seiner Altersklasse in 4:24:22
Florian – 74ter Elite in 4:22:54
Uwe – 59ter seiner Altersklasse in 4:59:25
Fazit
Ich bin sehr stolz, dass wir in unseren Reihen mit Sophia eine neue Europameister haben! Doch genauso stolz bin ich über unser großes Team, die super Stimmung und Gemeinschaft vor- während und nach dem Rennen! Wir haben richtig gute Ergebnisse erzielt, denn man darf nicht vergessen, dass wir uns hier mit den Besten gemessen haben! Und das auf einem knallharten Kurs. Es war schön mit euch allen und ich freue mich schon auf nächstes Jahr! Arooooo!
Bilder
..weitere Bilder folgen…