Das Kribbeln wird von Tag zu Tag größer, eines der zwei wichtigsten Wochenenden im Jahr steht vor der Tür. Irgendwann ist nur noch eine Woche Zeit und die Tage vergehen wie im Flug, dann nur noch drei Tage, noch zwei….. Bevor wir uns umschauen ist der Tag der Abreise gekommen. Wir machen uns auf den Weg! Auf den Weg zur OCR Europameisterschaft ins dänische Esbjerg.
Und diesmal sind wir wirklich viele Athleten vom OCR Munich. 14 Starterinnen und Starter sind zurecht hier! Jeder hat sich für diese Europameisterschaft qualifiziert, denn ohne Qualifikation kann man hier nur außer Konkurrenz im „Journeyman“ laufen.
Das Team des OCR Munich bei der OCR EM 2018
Die Location
Esbjerg liegt im Südwesten Dänemarks und hat heute rund 120.000 Einwohner. Im 19. Jahrhundert benötigte Dänemark einen leistungsstarken Nordseehafen, welcher in Esbjerg gebaut wurde. Anfangs spielte die Fischerei eine große Rolle, doch heutzutage erfuhr der Offshorebereich eine starke Aufwertung.
Sportlich hat Esbjerg ebenfalls zu bieten: Der Fußballverein Esbjerg fB spielt in der ersten dänischen Liga Superliga. In den 1960er Jahren war er der erfolgreichste Verein Dänemarks, der in den Jahren 1961, 1962, 1963, 1965 und 1979 die Meisterschaft gewann. Der Eishockey-Klub Esbjerg IK ist ein weiterer erfolgreicher Sportverein. Zudem findet in Esbjerg jedes Jahr mit dem Vesterhavs Cup ein internationales Handball- und Fußballturnier statt. (Quelle: Wikipedia)
Aber all diese Sportarten interessieren uns ausnahmsweise nicht, denn jetzt kommt es nur auf OCR an. Die EM findet diesmal in unmittelbarer Nähe der „Bluewater Arena“, der Heimat des bereits angesprochenen, Fußball-Erstligisten Esbjerg fB.
Und was uns erwartet verschlägt uns die Sprache! Wir können nicht jedes einzelne Hindernis beschreiben, jedoch ist das was hier aufgeboten wurde einfach brutal! Und es sind massig viele Hindernisse! Keine Zeit für die Arme zum Ausruhen.
Shortcourse
Bei internationalen OCR-Meisterschaften können die Athleten meist drei Wettkämpfe bestreiten. Das Wettkampfwochenende beginnt in der Regel mit dem „Shortcourse“, einem zwischen 3 und 6km langen Wettkampf der mit vielen, meist ziemlich anspruchsvollen, Hindernissen versehen ist.
In Esbjerg waren auf dem Shortcourse 27 Hindernisse auf ca. 4,5km Laufstrecke zu finden. Doch, und das nehme ich vorweg, das Problem war diesmal die Schwierigkeit der Hindernisse! Man stelle sich folgenden Mix vor: Man nimmt die großen OCR-Veranstalter Europas und bittet sie, ihre schwierigsten Hindernisse für die Europameisterschaft zur Verfügung zu stellen. Dort will sich natürlich niemand „lumpen“ lassen. Damit nicht genug, stellt man auf das Eventgelände die derzeitigen Top-Hindernisse der namhaften Herstellern von OCR- und Ninja-Warrior-Rigs. So entsteht ein Parcour der fast unmöglich zu bewältigen ist. Hinzu kam, dass die Hindernisse alle sehr armlastig sind, also die Unterarme zum Schmelzen bringen.
Nach der Sichtung der Finisherlisten im Nachhinein können wir sagen, dass nur ca. 7% der Starter mit dem Band ins Ziel kamen, also alle Hindernisse geschafft haben. Ein verschwindender Prozentsatz an Athleten.
Aber nun zum Rennen….
Gestartet wird auf die Kurzdistanz in kleinen Gruppen und das Tempo ist von Anfang an sehr hoch. Die ersten Hindernisse lassen auch nicht lange auf sich warten. Erst eine hohe Wand, dann ein paar Hürden mit Wasser, eine kleine Schleife und schon stehen wir vor der hohen „Kaha-Wall“. diese Wall hat kleine Schriftzeichen ins Holz geschnitten, die einzige Möglichkeit sich zu halten und ans Seil zu kommen. Heute verlieren hier bereits viele das Band, aber das Bouldertraining hat sich ausgezahlt und ich habe damit keine großen Probleme.
Weiter geht´s im Laufschritt in den nahe gelegenen Park wo viele, viele Hindernisse bereits warten. Ich will euch nicht mit langen Erklärungen oder Auflistungen der Hindernisse langweilen (hierzu könnt ihr das Video im Folgenden anschauen), aber fast alle Hindernisse fordern die Griffkraft und meine Unterarme sind schon nach ca. 5 Hindernissen ziemlich dicht. Nun folgt das „Low-to-High-Rig“, ein echter Killer am heutigen Tage. Bereits beim Zuschauen haben sehr viele Athleten hier ihr Band abgegeben. Ich versuche mich daran und rutsche beim Übergang zum Highrig ab. Nun der zweite Versuch! Ich schaffe das Low-Rig, der Übergang passt diesmal perfekt und nun hänge ich am High-Rig. Ich hänge, und hänge und hänge. Leider legt der Typ vor mir gerade (unerlaubt) eine Pause ein, so dass ich nicht vorbei kann. Also lasse ich los und gebe das Band ab! Meinen Vorsatz „Maximal zwei Versuche, sonst bin ich morgen zum Hauptlauf dicht“ halte ich eisern ein. Nun läuft es sich ganz leicht. Ohne Druck. Ich mache trotzdem jedes Rig und bis auf´s Gelände schaffe ich alles beim ersten Mal. Das ändert sich allerdings bei den „Nuts“. Bei diesem Ninja-Warrior-Hindernis muss man aus den Flying Monkeybars in ein fünfeckiges „Rad“ springen, sich dort halten, Schwung nehmen und weiter springen. Das Ganze drei Mal. Zu viel für meine müden Unterarme. Ich falle ins Stroh und gehe weiter. Nach weiteren 4 Hindernissen packe ich das Seil zum Rope-Swing und bin bald darauf im Ziel und empfange meine Finisher-Medaille.
Mir hat dieses Rennen Spaß gemacht, auch wenn ich bereits vorher gewusst habe, dass ich keine Chance auf das Behalten des Bandes habe. Im Endeffekt bin ich an zwei Hindernissen gescheitert, aber auch diese wären machbar gewesen……wenn sie für sich alleine da wären und nicht im Verbund mit weiteren 25, kräfteraubenden Extremhindernissen! Trotzdem, meine Hände sind in Ordnung, nur meine Unterarme sehen aus wie Popeye!
Das ist aber nicht bei allen so. Viele Läufer sitzen total erschöpft, enttäuscht und mit offenen Händen im Zielbereich und können nicht fassen, was da gerade passiert ist. „Offene Hände“ ist hier wörtlich zu nehmen, denn da zeigen sich in den Handinnenflächen große, blutige und offene Wunden. Und das einen Tag vor dem Hauptlauf! Niemand hat eine solche Intensität an Hindernissen erwartet. Selbst der amtierende Weltmeister musste aufgeben und hat sein Band nicht ins Ziel retten können.
Fazit des Short Course:
Ich habe noch nie so tolle Hindernisse gesehen und ausprobieren dürfen. Da ich jedes Hindernis maximal zweimal probiert habe, sind meine Hände in Ordnung und ich hatte richtig Spaß an dem Rennen. Hätte ich dieses jedoch ernsthaft mit Band finishen wollen, hätte ich viel mehr Versuche gebraucht und wäre wahrscheinlich trotzdem gescheitert. Für mich persönlich war das Rennen also in Ordnung. Für einen Athleten der aber wirklich um den Sieg laufen hätte wollen, war dieses Rennen kaum machbar und sehr unbefriedigend. Die meisten der Läufer hier bei der EM haben sich auf den heutigen Tag monatelang vorbereitet in dem guten Glauben, dass sie eine Chance haben. Das war aber ein Trugschluß! Heute war die Chance so klein, dass sie kaum wahrnehmbar war! Schade um die Vorbereitung und die Zeit. Schade um die heilen Hände. Mit offenen Händen ist der „Standard Course“ (morgen) kaum machbar! Kein guter Einstand.
Standard Course
Heute Nacht ist viel passiert! Die Veranstalter haben so viel Kritik einstecken müssen, dass sie einen Großteil der Hindernisse entschärfen mussten. Elemente wurden getauscht und erleichtert, die Nuts wurden um eine Nut gekürzt und selbst an die Kaha-Wall wurde eine Querlatte gesetzt auf die man steigen darf.
Heute sind die 15 Kilometer angesagt und viele der Starter von gestern können aufgrund ihrer Wunden an den Händen nicht starten. Bei mir geht das gut, meine Unterarme sind müde und geschwollen, aber ich habe keine offenen Schwielen. Wir starten, überwinden die erste Wall und nun fühlt sich auf einmal alles nach OCR an. Es gibt Holzwände, Inverted Wall´s, Sandsäcke zum Schleppen, Laufstrecke (am Strand), gespickt mit Cargo-Net-Hindernissen, Crawls, Flying Monkeybars und vielem mehr. Das kann ich alles, das macht Spaß! Das Band sitzt fest am Handgelenk und ich kann mich in meiner Altersgruppe sehr gut behaupten, auf der Laufstrecke sogar mit der führenden Gruppe mithalten. Es geht über die (entschärfte) Kaha-Wall und schon bin ich wieder im Park mit den vielen Hindernissen. Ich nehme eines nach dem anderen und verteidige mein Band tapfer. Das Low-to-High-Rig ist heute kein Problem (entschärft) und auch ein Hindernis mit Trampolin ist leichter als gedacht. Nun kommt der North Pole, ein Hindernis das einem die Arme beinahe zum Platzen bringt. Erst wie bei einer Tyrolean Traverse an einem Seil ins Hindernis klettern, dann unter einem Cargo Net auf die andere Seite, an hängenden Ankern hangeln und dann kommen 6 XXL-Ropes die man wie beim Rope Swing bewältigen muss. Nur, dass man sich nicht ordentlich halten kann, da diese sehr dick sind. Ich versuche mich 5 mal daran und rutsche davon drei mal beim Vorletzten nach unten. Sehr ärgerlich. Die Kraft ist einfach nicht mehr da, nach dem Rennen gestern. Ich starte einen 6. Versuch und scheitere bereits an den Ankern, da meine Hände aufgehen ohne dass ich etwas dagegen tun kann. Ich gebe mein Band ab. Diesmal mit Traurigkeit, denn bis auf´s Eventgelände fehlen nur noch 3 Hindernisse. Aber gut, das war zu erwarten.
Die drei Hindernisse (eines davon ist das A-Frame) kann ich überraschender Weise problemlos bewältigen und ich versuche mich erneut an den Nuts. Aber wie gestern auch….ich falle runter. Dieses Hindernis war dieses Jahr zu viel für mich.
..nuts..
Der Rest der Hindernisse ist bald überwunden und ich schwinge ins Ziel und hole mir die Finisher-Medaille ab. Tja….. irgendwie komisch. Fertig mit dem Rennen und nicht ganz zufrieden. Hätte ich am Freitag den Shortcourse nicht gemacht, wäre heute eventuell mehr möglich gewesen. Allerdings holen mich die Nuts bald wieder aus der Gedankenwelt zurück. Nein! Heute war nicht mehr drin!
Glückwunsch an Sven Lagreze und Stephan Hammerl die als Einzige von unserem Verein ihr Band behalten können und zu den 20% der Starter zählen die das heute geschafft haben! Super Leistung Jungs!
Team Relay
Das Teamrennen ist in vier Teile aufgeteilt. Drei Starter müssen ihren Teil laufen und die dort stehenden Hindernisse bewältigen. Dann folgt ein vierter Teil bei dem einer der Teammitglieder das dort befindliche Hindernis komplett alleine schaffen muss, dann darf er den anderen Teammitgliedern helfen.
Wir haben mehrere Teams vom OCR Munich am Start die sich wirklich tapfer schlagen und mit tollen Leistungen finishen! Den nächsten großen Hammer setzen unsere Nici mit ihrem Team, bestehend aus Ludmilla, Carina und Nici. Die Mädels kämpfen wie die Löwinnen und können sich den zweiten Platz sichern. Eine mega Leistung, zu der wir herzlichst gratulieren.
Das war spannend bis zur letzten Sekunde und ich gebe zu, ich bereue, selbst nicht beim Team-Relay gestartet zu sein!
Fazit
Meine Gefühle sind irgendwie gemischt. Das Event und die Hindernisse waren toll, aber der Freitag und das unmögliche Niveau der Hindernisse auf die Kurzdistanz werfen einen dunklen Schatten auf diese Europameisterschaft. Meiner Meinung nach ist es in Ordnung wenn eine Meisterschaft schwer ist. Es ist auch in Ordnung, dass man sein Band abgibt. Aber 7% Finisherquote bei gut trainierten Athleten (alle hier waren ordentlich qualifiziert) ist nicht in Ordnung. Dafür hat man zu viel Geld gezahlt und zu viel Zeit investiert. Hier waren wir einfach chancenlos!
Trotzdem meinen Respekt an den Veranstalter der wirklich konsequent reagiert hat und (wenn auch leider für all die Starter mit offenen Händen zu spät) zumindest den Hauptlauf gerettet hat, indem die Hindernisse entschärft wurden.
Egal, nächstes Jahr wird wieder angegriffen!
Ein kleines Video als Erinnerung….
Viele, viele Bilder!!!
weitere Bilder folgen….