OCR EC 2019

von Olli

Von Browniebitches, kaputten Affen, dem Nordpol-Drama und scheißbeschissen guten Handschuhen – (m)eine OCREC 2019-Story

Nu isses etwas mehr als einen Monat her und die OCR European Championship (27.-30.06.2019) in Gdynia bei Danzig in Polen steht in den Geschichtsbüchern. Ich versuche mich jetzt mal an einem Rückblick aus sportlicher, ereignistechnischer und persönlicher Sicht. Ich werde viel auslassen, vergessen oder besser einfach nicht erzählen, sonst könnte dies hier leicht ausarten (Nachtrag: ach Scheiß drauf, es ist doch total ausgeartet…). Let´s go!

Vorwort:

Als der kleine Olli früher mit seinem Vater vor dem TV bei sämtliche Sportgroßereignisse wie Olympische Spiele, Fußball-Weltmeisterschaften oder Wintersportevents sein kleines Deutschlandfähnchen schwenkte, hätte er nie geahnt, dass er mal bei etwas ähnlichem ein Deutschlandtrikot tragen oder zum Team Germany gehören würde. Aber manchmal passieren eben Dinge, die man sich weder zugetraut, erhofft oder jemals realistisch in Betracht gezogen hätte. Als ich vor ca. drei Jahren mit dem OCR angefangen habe und nicht mal in der Lage war, ein Seil ansatzweise in der horizontalen oder vertikalen zu klettern, eine Wand zu überwinden oder eine mittlerweile simple Monkeybar zu hangeln, hätte mir jeder alles erzählen können, nur nicht das ich eines Tages mal offiziell deutsche Farben tragen darf. Aber genau das macht das Leben und speziell den OCR so besonders: Gesunder Ehrgeiz, die Hilfe und der Teamgeist von großartigen Menschen, ein ordentlicher Anteil an Beklobbtheit und der immer wieder kehrende Reiz, die Messlatte doch noch ein wenig höher zu hängen. Das dies oft weh tut, weil blaue Flecken und offene Hände nach jeder zweiten Trainingseinheit fortan zum Alltag gehören, muss ich niemandem erzählen.

Die Qualifikation:

Leck, bin ich Ende September 2018 zuhause ausgeflippt, als ich nen Tag nach dem Race meine RUNTERRA-Platzierung schwarz auf weiss gesehen haben. 6. meiner AG im Eliteheat und damit die EM-Quali, BÄMM! Doch leider zu früh gefreut! Kurz danach hatte sich die OCRA Germany gegründet und die Qualilisten für Läufe in Deutschland wurde neu überarbeitet. Scheinbar hatten die EM-ausrichtenden Polen die Regularien verändert und meine Platzierung und damit die Teilnahme war Schall und Rauch. Leider auch für viele andere Runterra-Teilnehmer u.a. aus unserem Verein (sorry Andi, riesen Scheiße das alles!). Wie blöd, dass ich zu diesem Zeitpunkt bereits Tickets, Flug und das Hotel für Danzig gebucht hatte. Es folgten viele Diskussionen in den sozialen Medien über das Warum und Wieso, viele E-Mails zwischen mir und der OCRA, der OCRA und den Polen und umgekehrt und schlussendlich war da auf einmal keine Quali mehr. Was ein Tiefschlag für mich. Die finale Info dazu erhielt ich einen Tag vor dem Spartan Winterrace direkt vor Ort in Kaprun Anfang Januar 2019. Tja, was soll ich sagen… es war bestimmt viel Frust, ebenso viel Glück, ein bissl Taktik aber durchaus auch (Winter-) Trainingserfolg, der mich im Sprint bei erstmalig null Burpees auf Platz 5. meiner AG landen lies. Und dann hat der Kampfkoloss tatsächlich geflennt und Coach Basti hats auch noch gesehen, als wir gemeinsam nach dem Rennen die Platzierungen gecheckt haben. Quali für die Spartan EM, die OCR EM und auch die OCR WM – drei auf einen Streich und das für uns beide. Was zur Hölle war denn das und zu welch perfektem Zeitpunkt! Karma…?!?!?

Die Reise:

26.06.19, Tag des Abflugs nach Danzig. Unsere Reisegruppe bestand aus Jana, Moni, John, Sven, meiner einem und Nicole, die als offizielle Pressefotografin der OCRA Germany mit am Start war. In Danzig sollte dann noch Kai dazustossen, der von Frankfurt aus flog und bereits einen Tag früher war Affenmann Stephan in Polen gelandet. Selbstständig auf den Weg zur EM machten sich auch Nici, Lukas, Markus, Flotchy und Pawel. Ein großes OCR Munich-Team!

Die Stimmung war allgemein geprägt von Vorfreude aber auch leichtem Zweifel, welcher mit ner Pulle Sekt mangels Bier im Flieger „bekämpft“ wurde. Der Flug hatte irgendwie das Flair einer Klassenfahrt, mit an Bord waren nämlich die deutschen U17 Nationalmannschaften der Jungs und Mädls im Beachhandball (das gibt’s wirklich!), die ebenfalls auf dem Weg nach Danzig zu ihrer eigenen Europameisterschaft waren. Also, Fahnen raus und ehrfürchtig die deutsche Nationalhymne geschmettert… nein, so schlimm war es dann doch nicht.

Dank Uber und Mietwagen war der Transfer zum Hotel Nähe des Austragungsorts, dem Rugby Stadion in Gdynia, ein Kinderspiel und die Zimmer schnell bezogen. Kai kam zwei Stunden später an und Stephan hatte bereits ein Lokal für den Abend ausgesucht. In diesem speziellen Lokal sollten wir dann jeden Abend verweilen. Zum einen lag dies an der absolut genialen Küche mit fairen Preisen und zum anderen an den noch genialeren flüssigen Schokobrownies, die jeden Abend in Massen verdrückt wurden. Wahrlich eine Offenbarung! Irgendwer kam auf den Namen „Browniebitches“, der uns fortan die kommenden Tage begleiten und als Schlachtruf dienen sollte. Es gibt da so eine gesungene Version eines groovenden „Eiswasser-Schotten“, die einer mal mit nem Beat unterlegen und David Guetta zum remixen geben sollte… oder ich mach das einfach selber! „Browniebitches… uff uff, Browniebitches uff uff… YEEEEEAH!“ 😉

Es geht los:

27.06.19 und Tag eins der „Spiele“! Am Vortag hatten wir bereits das Stadion und den Deutschland-Pavillon besucht, unsere Startunterlagen und Trikots abgeholt und erste Tuchfühlung zu den in der Nähe stehenden Hindernissen aufgenommen. Ninja Warrior lässt grüßen habe ich mir nur gedacht, auweia. Und dann saß ich da auf der Tribüne in meiner schwarz rot goldenen Presswurstpelle mit lauter anderen Athleten aus ganz Europa bei der Eröffnungsfeier und schwenkte mein Fähnchen. Wenn das der kleine Olli gewusst hätte…! Irgendwie schon ein Gänsehautmoment, als die Vertreter des Team Germanys zusammen mit einem Fahnenkind in das Stadion einliefen.

Aber viel Zeit blieb nicht und der Start der Elite stand unmittelbar bevor. Zack und weg waren sie! Das Wetter zog zu und die ersten Regentropfen vielen. Keine guten Bedingungen für die ganze Hangelei aber die beste Ausrede überhaupt, warum man sein Band wohl abgeben müsse (ein Papierband trägt man ab dem Start am Handgelenk und sofern man alle Hindernisse erfolgreich absolviert, erhält man ein Silikonband im Ziel. Für viele sehr viel wichtiger als die eigentliche Medaille! Schafft man ein Hindernis nach mehr oder weniger Versuchen nicht, muss man das Band abgeben und darf ohne in die offizielle Wertung zu kommen weiterlaufen. Weniger als 30% bei den Herren sollten beim Short Course das Band behalten!).

Ich hatte noch ein bisschen Zeit zu meinem Start und so konnte ich die Elite auf dem letzten Kilometer zurück ins Stadion beobachten. Die nassen Verhältnisse machten es den Jungs und Mädls nicht gerade einfach und eine sonst recht einfache Balance-Wippe sollte bei den Herren kurz vor dem Ziel die Entscheidung bringen. Kurios auch, dass später ein AgeGroup-Läufer bei trockener Strecke schneller als der Sieger der Elite im Ziel war.

Short Course (5k, tasächlich knapp 9k):

Start der alten Säcke Ü40 – der Heat von Kai und mir! Los ging es mit einem Over/Under und über ein riesiges A-Frame-Cargo raus aus dem Stadion direkt in den Wald. Hier war eine echt lange Monkeybar mit locker 20-25 Stangen zu überwinden und meine nagelneuen zuvor vor Ort gekauften OCR-Handschuhe hatten perfekten Grip. Sehr geil dachte ich mir noch, bessere Handschuhe hatte ich bislang noch nicht. Es folgten ein paar höhenmeterlastige aber geile Trails durch den Wald, ein Five-Jump und dann kam man nach ca. 3km auf eine Lichtung, die in den kommenden Tagen zu meinem persönlichen Battlefield werden sollte. Erste Hangelcombo aus Ringen, Querstagen und Rädern gemeistert, stand ein Dipwalk auf dem Programm. Rauf auf die Stangen, geradeaus los, nach oben, wieder nach unten und über die Markierung, so war der einfache Plan und Kai ballerte da auch locker durch. Daraus wurde aber bei mir nix. Denn jetzt spielten mir die neuen Handschuhe einen Streich. Diese dummen Mistdinger hatten einen solchen Grip, dass ich keinen Millimeter nach vorne rutschen konnte. Aber genau das galt es zu tun. Also habe ich alles über Kraft gelöst und mich Zentimeter für Zentimeter vorangekämpft. Ich brauchte ewig und ca. zehn Zentimeter vor der Markierung knickte mein linker Arm ein und ich ging runter. Wie bescheuert. Hätte ich nur gleich abgebrochen und die Handschuhe ausgezogen, dann wäre der Trizeps auch nicht gleich dicht gewesen. Beim zweiten Versuch war dann klar, da ist grad nix mehr mit Kraft. Gleichzeitig begann es zu regnen und ich war mir eh sicher, dass mein Band spätestens drei Hindernisse weiter bei einer schweren Combo sowieso dran glauben müsse. Also habe ich es mir vom Marshall abschneiden lassen und bin weiter. Das mag jetzt für den einen oder anderen sehr nach Mimimi klingen, allerdings war es für mich nie wirklich realistisch, das Band bis ins Ziel zu verteidigen. Bei dem Wetter schon garnicht. Mein Ziel war es Spaß zu haben, mir nicht weh zu tun und mich soweit wie möglich für den Team Relay zu schonen.

Es folgte ein langer Sandbagcarry und ein sehr geiler Longswing an acht Ringen. Verpflegungsstation, es regnete jetzt richtig. Next, der Pole-Dance. Mehrere Metallstangen im steilen Winkel nach oben auf eine Plattform galt es zu klettern. Versucht, abgerutscht. Nochmal, wieder weggerutscht. In diesen Minuten einfach unpassierbar für mich aufgrund der Nässe. Egal, Band ist eh futsch also weiter. Es folgte der North Pol und da traf ich wieder auf Kai. Eine lange Kombi aus freihängenden Ankerhaken zum Hangeln, gefolgt von einen Tarzanswing aus Seilen und dicken Tauen. Und um es noch ein bisschen schwerer zu machen musste man über eine ansteigende Tyrolian Traverse in das Hindernis einsteigen. Krasser Scheiss. U.a. dieses Mistding sollte zusammen mit Hindernis 62 (nur Standard Course) in den kommenden Tagen die Spreu von Weizen trennen und für zahlreiche Dramen sorgen. Ich kam bis ca. zur Hälfte, immerhin und ich glaube, hier ließ auch Kai sein Band. Es folgten viele weitere Hindernisse und Combos mit so tollen Namen wie Low-To-High-Rig, Labyrinth, Irish Table, Windowsmill, Ropeclimb, Snake (Weaver), Bisonheads, oder Hamsterwheel + Flying Monkeys und soviel sei gesagt, die Dinger waren wirklich super technisch und sauschwer. Geil war, dass die Strecke nochmals durch das Stadion führte und die Anfeuerung aller Zuschauer und der deutschen Athleten wirklich gepusht hat. Ganz ganz groß! So konnte ich auch das Labyrinth bezwingen, das ich noch nie zuvor ausprobiert hatte (das Labyrinth ist ähnlich einem Pegboard, bei dem die Stäbe in vorgefertigten Bahnen freihängend von A nach B bewegt werden müssen). Kai und ich liefen jetzt zusammen und das bedeutete mir sehr viel. Er, der deutlich schnellere Läufer wartete immer wieder auf mich und so wurden die nächsten Kilometer und Hindernisse bis kurz vor dem Stadion als Team absolviert. Kleine Schrecksekunde gab es dann für mich noch an der zuvor erwähnten Balance-Wippe. Erst Versuch sechs oder sieben klappte und ich kam das steile nasse Ding nach oben. Doch dann zog es mir auf dem Weg nach unten dermaßen die Füße weg, dass ich aus 1,5m Höhe auf den Balken krachte. Um mich rum Stille bei den Zuschauern, aber es sah wohl schlimmer aus als es war. Ich hatte mir glücklicherweise nicht weh getan und es ging sofort weiter. Es folgte ein weiteres Highrig und dann die 4,5m Quarterpipe, das Eintrittstor zurück ins Stadion und zum Ziel. Also drüber und ab ins Getümmel. Geile Atmosphäre! Es folgten die hängenden Bretter und dann stand da das letzte Hindernis. Ein Pegboard gefolgt von einer Sprossenleiste, die mit Hilfe von Ringen bewältigt werden sollte. Pegboard nein weil Arme einfach durch, Sprossenleiste ja und ab über die die Ziellinie. Kai und Nicole warteten direkt dahinter und der Empfang war großartig. Woohoo, da war sie also meine erst EM-Medaille und ich natürlich stolz wie Oskar!!!

Kurz zu Nicole: Ich hatte ja anfangs erzählt, dass Nicole als offizielle Fotografin für die OCRA und das Team Germany unterwegs war. Sie durfte also auf die Strecke und in die Hindernisse hinein, um zu fotografieren. Und Sie war einfach überall, fast schon unheimlich. Während meines Rennens war sie am Start, auf dem Battlefield, beim Sandbagcarry, am North Pol, dem Labyrinth, der Wippe und im Ziel immer in der Nähe und um uns rum. Wie sie das zur Hölle geschafft hat, keine Ahnung. Die Statistik später hat gesagt, dass Sie an den drei Wettkampftagen über 40km Strecke zu Fuß als Fotografin(!) zurückgelegt und dabei ca. 5000 Bilder geschossen hat. Was für eine Leistung, das hast du unglaublich gemacht. Bin sehr stolz auf dich!

Gratulation an dieser Stelle auch an Sven, der ebenfalls den Short Course zwar ohne Band aber erfolgreich finishen konnte. Und jetzt kommt leider der traurige Teil… Auch Äffchen hätten wir gerne mit Medaille im Ziel gesehen. Er war vor mir gestartet und gleich im Wald bei Five Jump so unglücklich umgeknickt, dass er beim Zwischenstopp im Stadion das Rennen aufgeben musste. Und er hatte tatsächlich noch das Band um sein Handgelenk. Das wäre dein Race gewesen, Affenmann! Er verbrachte die folgenden Tage mit Schmerzen im Hotelzimmer und verfolgte die weiteren Rennen via offiziellem Stream und per Facebook-Live, da John ständig für Ihn von und neben der Strecke mitfilmte. Vielen vielen Dank dafür lieber John. Später stellte sich heraus, dass Stephan sich mindestens das Außenband gerissen hatte. So eine Scheiße, aber dicken Respekt für dich, wie du das vor Ort weggesteckt und uns weiter supportet hast. Werde gefälligst fit für die WM im Oktober, da haben wir was nachzuholen!

Standard Course (15k, tatsächlich knapp 19k):

28.07.19, Bin nicht gelaufen, fertig… Nein, im Ernst. Ich habe kurz vor der EM für mich entschieden, den Standard Course aufgrund der Länge, der Masse an technischen Hindernissen und zum Wohle meiner Hände/Kräfte vor dem Team Relay sein zu lassen. So konnte ich auf das Open Race umbuchen, das ich zusammen mit Nicole zwei Tage drauf laufen wollte.

Dafür gingen heute Moni, Jana, Kai, John und Sven ins Rennen. Ich heftete mich Nicole an die Fersen und so verfolgten wir unsere deutschen Athleten durch den Tag. Nun wurde mir auch klar, wie man schnell an vielen Stellen des Kurses fast zeitgleich sein kann, wenn man nur genau weiß, wo man sich am besten durch das Unterholz schlägt. Es war wahnsinnig heiß und ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, die deutschen Athleten wann immer ich konnte auf der Strecke mit Wasser zu versorgen (erlaubt!). Hochgerechnet habe ich 15l Wasser an dem Tag verteilt und ich glaube, das war auch wirklich wichtig für den einen oder anderen. Viele Läufer standen teilweise Stunden an den Hindernissen, um diese immer und immer wieder zu versuchen. So auch am North Pole im Wald, wo sich irgendwann eine deutsche Mädlsgruppe inkl. Jana und Moni bildete. Nach zahlreichen Versuchen und vielen Tränen kam nur eine der Mädls erfolgreich durch, der Rest musste leider das Band abgeben. Allerdings fungierten Sie danach als Gruppe, was definitiv den Motivations- und Spaßfaktor wieder zurückkommen ließ. Ähnliches passierte an besagtem Hindernis Nummer 62, einer Combo aus Hangelelementen inkl. Twister, welcher nur mit Stäben und nicht mit Griffen bestückt war. Ich habe mir sagen lassen, dass auch hier sich eine große Gruppe deutscher Athleten traf und nach vielen Versuchen sich ebenso viele von Ihrem Band trennten. Hier erwischte es leider leider auch wieder Kai und das so knapp vor dem Ziel. Aber heute kamen zumindest alle heile ins Ziel. Mein Applaus geht an Kai, Jana, Moni, John und Sven. Was ein hartes Rennen bei dieser Hitze! Großartig.

Team Relay:

29.06.19, die Staffel. Bei diesem Modus treten drei Athleten aus einer Nation im Team an. Nummer eins hat den Laufpart, der Zweite den Kraftteil und der Dritte die Technik zu absolvieren, bevor man die letzten Kilometer zusammen die Teamhindernisse überwinden muss. Ich freute mich wahnsinnig auf diesen Wettkampf, weil ich mir hier doch ein kleinwenig Chancen auf das Band ausrechnete. Ca. zwei Stunden vor dem Start kam bei mir aber die große Nervosität. Ich hatte den Kraftpart zu erledigen und dieser sollte mich ausgerechnet wieder auf mein persönliches Battlefield inkl. Dipwalk und Pole Dance führen. Genau die beiden Hindernisse, die ich beim Short Course nicht geschafft hatte. Die Tage zuvor schob ich es noch auf die Handschuhe und den Regen, aber war das tatsächlich der Grund? Mann, ich habe mir echt fast in die Hosen gemacht, als ich da im Wald in der Transitzone für Team „OCR Munich“ stand und mit locker dreißig Athleten auf die Ankunft der Läufer wartete. Ein Offizieller brüllte immer wieder die Namen der Nationen, deren Läufer als nächste in den Wechselbereich reinliefen. Und irgendwann kam Sven und alles ging blitzschnell. Es wurde kurz abgeklatscht und von der Menge angefeuert ging ich ins Rennen, um meinen Strength-Abschnitt zu beginnen. Wieder die lange Monkeybar, kein Thema. Es folgte der bergige Waldtrail und der FiveJump. Auch alles ok, obwohl ich deutlich auf die Bremse drückte, um Kräfte zu sparen. Rein aufs Battlefield und siehe da, nach der ersten Hangelcombo folgte neu in die Strecke integriert ein ca. 200 Meter langer Carry mit einem durchaus schweren Atlasstein, ähnlich wie beim Spartan Race. Ich trug das Ding auf der Schulter um meine Arme zu schonen, weil nun der böse Dipwalk auf dem Programm stand. Also Handschuhe aus, ein paar Mal tief durchgeatmet und los. Und siehe da, ich kam deutlich besser voran als zwei Tage zuvor beim Short Course. Ab der Mitte dieses Hindernisses muss ich schon fett gegrinst haben, jedenfalls gibt es da Fotos mit deutlicher Mimik. Und in dem Moment, als ich die Markierung erreicht hatte, hörte ich Jana und Nicole schreien. Die standen schräg gegenüber und hatten alles mitangesehen. Mädls, das war so unglaublich motivierend, vielen Dank dafür.

Weiter gings! Sandsack schultern und den Berg rauf. Danach der LongSwing und die Getränkestation. Jetzt der Pole Dance und Schwupps war ich oben. Welch Unterschied doch Witterungsbedingungen ausmachen. Und deswegen hatte ich jetzt die ganze Zeit Pipi in der Hose? Die nächste Überraschung folgte sogleich, noch ein neuer Carry. Diesmal die bekannte Ankerkette und wieder rauf auf den Berg. Mann Mann Mann, aber das war mir zu dem Zeitpunkt einfach scheißegal, weil mir das Adrenalin durch die Adern schoss aufgrund der geschaffen Angsthindernisse. Kette weg und weiter zu einer Art Hercules Hoist. John rannte ab hier neben mir her und filmte alles für Stephan. Das Ding hochgewuchtet und im Sprint ab in die Transitzone und an Kai übergeben.

Alter Schwede, wie geil war das denn und wie schnell ging das bitte rum! Sven war gleich da und auch er konnte sein Band auf seinem Lauf-Abschnitt behalten. Lief also optimal bis zu diesem Zeitpunkt. Unser komplettes Münchner Team stand nun ebenfalls rund um den North Pole um Kai anzufeuern. Er war kurzfristig für Stephan eingesprungen, der eigentlich für den Technikpart vorgesehen war. Also erstmal vielen vielen Dank an dich Kai, für das kurzfristige Einspringen. Kai kämpfte und kam gut in der Combo voran, aber dann ging er am allerletzten Seil des Hindernisses runter. Verdammt, das sah doch so gut aus. Die Arme ausgeschüttelt und neuer Versuch. Jetzt hatte er einfach Pech. Kurz nach dem Einstieg kam ihm an dem zu unterkletternden Netz ein anderer Athlet in die Quere und Kai musste abbrechen. Und dann sollten die beiden Vortage ihren Tribut zollen. Kai kämpfte wie ein Löwe aber die Arme konnten einfach nicht mehr. Er versuchte es noch ein weiteres Mal aber die Muskeln machten zu und wir vermuteten zu diesem Zeitpunkt leider auch eine Verletzung im Oberarm. Kai gab das Band ab…

Lieber Kai, es gehört eine große Portion Courage und Vernunft dazu, um sich selbst einzugestehen, dass es einfach nicht mehr geht. Du hast hier am North Pole und an den beiden Tagen zuvor gekämpft und alles gegeben. Nun sollte es einfach nicht sein. Und auch wenn du in diesem Moment untröstlich warst, war es für mich gefühlt irgendwie der emotionale Höhepunkt dieser Europameisterschaft und ging heftig unter die Haut.

Kai lief mit massiven Schmerzen im Arm weiter und das komplette OCR Munich Team hinterher. Aufgrund der vermuteten Verletzungen und auf unser Anraten hin schenkte er jedem Hindernis jetzt nur noch einen Versuch und rannte im Anschluss sofort weiter. Es galt Kräfte für den Teampart zu sparen um hier als Gruppe finishen zu können. Eine Zeitlang hefteten wir uns alle an seine Fersen und versuchten Ihn so gut es ging wiederaufzubauen, bevor er in den Wald abbog. Sven und ich begaben uns jetzt in die letzte Transissionzone und warteten. Viele Läufer fanden hier zusammen und starteten nun als Team mit einer langen gelben Holzlatte, die einer Eisenbahnschiene ähnelte, auf die letzten Kilometer. Leider gingen die Holzlatten immer wieder aus, bevor neue gebracht werden konnten und einige Teams mussten warten. Das darf bei einer EM auf garkeinen Fall passieren! Dann war Kai da und Sven und ich schulterten das gelbe Ding. Nach einigen hundert Meter galt es ein wippendes Rohr mit der Holzlatte zu durchqueren bevor wir vor einer 4m Wand standen. Das Ding beiseitegelegt und einer nach dem anderen mit Hilfe eines Seils obendrüber. Kai biss auf die Zähne, konnte die Wand aber relativ problemlos überqueren. Weiter gings mit unserem hölzernen Freund Richtung Stadion. Direkt vor der 4,5m Quaterpipe sagten wir Tschüss zum Holzi und einer nach dem anderen ging mit ordentlich Tempo die Pipe hoch. Auch das packte Kai beim ersten Versuch.

Über große Stufen stiegen wir jetzt in das Stadion hinein, wo wir von vielen deutschen Athleten erwartet wurden. Einer nach dem anderen kletterte durch die hängenden Bretter zum finalen Hindernis. Hier gab es im Vorfeld leider viel zu viele Irritationen und Fehlinfos, wie das Pegboard und die Ringleiste denn nun überwunden werden müsse und von wem. Schlussendlich war alles halb so wild und das Pegboard aus dem Course genommen. So war da nur noch die Ringleiste im Weg, bevor man auf die Zielgerade einbiegen durfte. Ich versuchte mich als Erster und kam problemlos und zügig durch. Das Ding lag mir die ganzen Tage irgendwie ziemlich gut. Sven war als nächster dran und auch er läutete die Glocke (auch wenn er es fast vergessen hätte). Nun war Kai´s Turn und er schüttelte nochmals die Arme aus. Unter der Anfeuerung zahlreicher Zuschauer kämpfte er sich langsam aber zielstrebig von Sprosse zu Sprosse. Und dann läutete auch er! Wahnsinn, was eine Explosion der Erleichterung bei allen. Es folgte der zweitemotionalste Moment der Europameisterschaft: Nicole steckte mir eine Deutschlandfahne zu und wir liefen zusammen als Team über die Ziellinie. Den Rest könnt ihr euch sicher vorstellen.

Ich denke, dieser Team Relay wird mir am längsten in Erinnerung bleiben. Nicht nur, weil ich tatsächlich eines der begehrten Bänder mit nach Hause bringen konnte, sondern weil dieses Erlebnis als Team einfach speziell war. Es hatte alles. Aufregung, Anspannung, Anstrengung, Drama, Erleichterung, usw.

Open Race:

30.06.19, der letzte Wettkampftag. Heute sollte Nicole im Open Race an den Start gehen und ich hatte ja mein Standard Course Ticket kurzfristig in ein Open Ticket umgewandelt, um mit ihr zusammen laufen zu können. So, und irgendwie hatten auch Moni, Jana, John und Kai noch nicht genug und meldeten sich kurzfristig ebenfalls für das offene Rennen an, das auch eine Charity-Funktion für eine Rollstuhlfahrerin hatte. Sven fungierte als Kamerakind und lief mit GoPro nebenher.

Die Streckenführung hatte sich ein wenig geändert und auf dem schlussendlich ca. 9km langem Course wurde erst ein Teil des Standards- und anschließend der nahezu vollständige Short Course gelaufen. Somit hatten wir genügend Zeit, dass ein oder andere Hindernis nochmals auf Herz und Nieren zu testen und uns unseren persönlichen Endgegner, wie dem North Pole, nochmals ohne Druck zu stellen. Mann, machte dieser Lauf Spaß. Als Gruppe waren wir zwar im Schneckentempo unterwegs (die Abnutzungserscheinungen der letzten Tage waren einfach deutlich spürbar), aber wir fachsimpelten bei jedem Hindernis über die verschiedenen Möglichkeiten der „Bezwingung“ und probierten unterschiediche Techniken aus.

Nicole schlug sich richtig wacker. Für sie war es ja bei vielen Hindernissen der erste richtige Kontakt und ein paar Mal musste auch Sie an ihre Grenzen gehen. Meistens lag es an der Höhenangst, aber sie meisterte diese Momente mit Bravour. Schlussendlich liefen wir als großes Team des OCR Munich zusammen im Rugby Stadion zu Gdynia über die Ziellinie und erhielten unsere wohlverdienten Medaillen. Bling-Bling, Browniebitches!!!

Schlusswort:

Tja, nun ist es doch ausgeartet, aber schließlich galt es ja auch vier EM-Rennen und das Drumherum zusammenzufassen. Was bleibt zu sagen… Ich für meinen Teil kann nur jedem empfehlen, einmal einen solchen Event mitzumachen, wenn er die Gelegenheit dazu hat. Das ist schon eine ganz andere Nummer im Gegensatz zu den uns bekannten Spartan Races, Xletix & Co. Und dieses Teamgefühl ein ganz besonderes.

Danke an alle Browniebitches für die großartige Zeit und die unvergesslichen Erlebnisse, Gratulation an alle Teilnehmer, ob mit oder ohne Band und dir lieber Stephan gute Besserung. Werde fit für die WM im Oktober in London. Da hast du was nachzuholen.

Ihr habts geschafft, danke für die Aufmerksamkeit! Der Kampfkoloss…