Münnerstadt 2015 vs Steinach 2019
oder auch: William Wallace gegen Thüringen
von Mitch
Ich war im Zeitraum 2012 – 2015 Stamm-Starter beim Braveheart Battle. Dieser hat mich überhaupt erst zum OCR gebracht. Als es dann den Standortwechsel und später ein Insolvenzverfahren gab, hatte ich bereits gedanklich mit dem Braveheart Battle abgeschlossen. Bis zum März 2019! 1 Woche vor dem Startschuss bekam ich zufällig eine Email – Braveheart Battle 2019 in Steinach (Thüringen) an der Skiarena Silbersattel unter neuem Management. Klang interessant – angemeldet – verbreitet und sofort 3 weitere Mitstreiter gefunden! Flo und Jana haben sich ebenso spontan angemeldet, Daniel war schon registriert! War ja eigentlich klar, der nimmt jeden Lauf in seiner Heimat mit.
Um 4.30 Uhr morgens gings dann los. Leere Autobahnen dem Sonnenaufgang entgegen. Ganz gemütliche 3 Stunden Anfahrt war geplant und wurde eingehalten. Nach dem Sonnenaufgang strahlend blauer Himmel bis: Königreich Bayern verlassen – Willkommen im Thüringer Wald / in der Rennsteigregion. Nebel, trüb, grau in grau. Hat uns nun auch nicht mehr abgeschreckt. In Steinach angekommen parkte man geordnet am Marktplatz und ging die letzten Meter zu Fuß zum Sportplatz hinauf – vorbei am Schwimmbecken. Es hat aktuell 8 Grad Lufttemperatur und es steigt kein Dampf auf aus dem Wasserbecken – wir ahnen Böses!
Am Sportplatz angekommen sahen wir bereits diverse Hindernisse, welche im Zielbereich auf uns warteten. Alles auf einem Plateau, umgeben von Nebelwald und Schieferhängen. Der Start ist wohl nochmal ein paar Meter den Berg hinauf. Für Zuschauer perfekt.
Startunterlagen abgeholt, für uns kein Problem, später beim großen Ansturm verzögert sich das alles ein wenig – dafür wird auch der Start um ca. 15 Minuten nach hinten verschoben. Die Toilettenanzahl im Sportheim war für 1.000 Starter mit Angstschi** auch leicht unterdimensioniert – aber mit „BE BRAVE – KACK HARD!“ optimistisch gekennzeichnet. Das selbe galt später für die Duschen – kein Wasserdruck und lauwarm half gerade einmal, den größten Schmutz loszuwerden. Zu den Startunterlagen gab es ein sehr ansehnliches und hochwertiges T-Shirt für den Alltag, eine Trillerpfeife für unterwegs, Aufkleber und den Streckenplan. Bereits jetzt wurde ein Grill angeworfen. Ein Rundumblick zeigte, dass hier die Starter anders aussahen und anders waren als bei anderen Rennen: verkleidet mit Kostümen, gefärbten Haaren, Krieger, Schottenröcke und viele mit der Fluppe im Mund! Also eher der Freizeitsportler. Aber auch bekannte Namen waren vertreten, wie Franzke und Brosius.
Es gab eine 12km und eine 24km Stecke (kleine Extraschleife und die Strecke am Berg zweimal), sowie eine eigene Wertung für den Startsprint. Dabei handelte es sich um einen ca. 400 m Sprint die kunstschneebedeckte Skipiste hinauf. Gleich mal vorweg: von den Zeiten her wären wir in der Teamwertung 2. geworden! Ein Team zählte allerdings erst ab 5 Mitgliedern… wir waren leider nur zu viert – schade! Wir hatten uns für die 12k Strecke entschieden. Denny haben wir auch noch getroffen.
Nachdem die Taschen abgegeben waren, machten wir uns auf den Weg zum Startbereich – ca. 7 Gehminuten entfernt und nur Bergauf. Schon jetzt beschwerte sich die eine oder andere Wade. Es ging einen kleinen Weg im Wald entlang. Als sich dieser an einer Lichtung öffnete, stand man vor einer schneebedeckten Skipiste, welche nach oben hin im Nebel verschwand. Rechts und links standen bereits jubelnde Zuschauer, über uns kreisten Drohnen, durch den Wald hallte Musik – ‚do simma Dohäme!‘ – ‚do samma Dahoam!‘
Dann ging es los – leider ohne Gebet wie früher bei der Ausgabe in Münnerstadt.
Der Startschuss fiel, Rauchbomben wurden gezündet und es ging ab in den Steilhang. Teilweise krochen hier schon einige auf allen Vieren. Oben angekommen wurde man von den nächsten Zuschauern angejubelt und gefeiert.
Kurz warten, bis das Team wieder komplett ist, dann gings im Wald direkt bergab. Allerdings nur kurz auf einem Wanderweg, ziemlich schnell war dieser übersäht von Ästen und Schnittgut, als ob die Forstarbeiter gerade ganze Arbeit geleistet hätten. Es ging an Schrebergärten vorbei, wo man uns freundlich mit den ersten Bieren des Tages zuprostete. Eine Kehre und das Ganze wieder Hinauf! Hier bereits die erste der vielen Verpflegungsstationen. Alle mit Bananen, Äpfeln, Iso, Wasser und teilweise mit Tee ausgestattet. Also wieder rauf auf den Berg! Das zog sich auch durchs ganze Rennen: es ging entweder hinunter oder hinauf! Die einzigen ebenen Ausnahmen: die Stadionrunde mit den Hindernissen und das Wasser im Schwimbecken! Aber dazu später.
Auf dem Weg nach oben hörte man bereits früh Gebrüll durch den Wald. Es wurde immer lauter! Mitten im Nebel standen dann Cheerleader und ein Mann, der jeden motivierend anbrüllte! High Five! Top! Die Begeisterung für den Lauf in der Bevölkerung ist gegeben! Dann gings auch schon wieder auf einer Fahrrad-Downhillstrecke bergab, um direkt wieder steil nach oben in den Rücken der Cheerleader zu laufen. Der Anstieg ging noch ein bisschen weiter durch den Wald, bis man quasi am Gipfel endete. Warum quasi? Man blickte auf einen hohen Schneeberg 10 Meter weiter – die Strecke führte aber nicht direkt dorthin, sondern direkt wieder bergab! Erstmal verpflegen…
Umgeben von unzähligen Schaulustigen ging es die nächste Fahrrad Downhill Strecke hinab – über künstliche Steilkurven und Hügeln aus glitschigem Holz. Zu viel Schwung in den Steilkurven führt zu einem Kopfsprung in den Tiefschnee – Jana gibt dazu gerne Tipps. Nach ca. 200 Metern bergab wartete eine nette Volunteerin, die es nicht ganz glauben konnte, das wir uns das freiwillig antun. Kurzer Plausch und Erklärungsversuche unsererseits. Weiter gings mit einem der schönsten Anblicke wieder hinauf zum Gipfel. Mitten auf der Skipiste waren zwei ca. 5 Meter hohe Schneeberge aufgeschüttet – über deren Kanten blinkten und piepsten zwei Pistenraupen um die Wette, alles eingehüllt in dichtem Nebel – ein traumhafter Anblick – Gänsehaut! Zwischen den beiden Pistenraupen durch durften wir zweimal ca. 2 Meter hohe Schneewände hinaufklettern und durch eine kurze Kriechstrecke im Schnee. Dann endlich – der Gipfel! Aussicht: nicht vorhanden.
Bergab gings dann erstmal durch einen Kanal aus hohen Schneewänden und im Tiefschnee. Mittem im Kanal stand eine Fotografin: ein Gruppenfoto war da Pflicht!
Die Luft wurde immer feuchter, da bahnte sich was an. Man hörte immer wieder schmerzverzerrte Schreie von den vorderen Läufern. Man konnte nur erahnen, was da kommen mag.
Dann verlies man den Kanal und hatte plötzlich freie Sicht auf zwei Schneekanonen! Mit gefühlt tausend Litern zerstäubtes Wasser pro Sekunde wurde auf uns gefeuert. In 2 Skunden war man nass bis auf die Knochen. Daniel versuchte ein geschicktes Ausweichmanöver – denkste! Der Bediener hatte größte Freude daran, jeden Einzelnen zu erwischen und schwenkte sie hin und her. Im Strahl hatte man weder Sicht noch Orientierung – Augen zu und durch war die Devise. Im Sommer: perfekt! Bei den heutigen Temperaturen und mit leichtem Wind: ziemlich kräftezerrend und wie ein Sprung kopfüber ins Eiswasser!
Direkt danach Sandsäcke auf einer ca. 50 Meter Strecke. Die Sandsäcke waren angenehm gebunden und hatten vielleicht 10 kg Gewicht – plus die 40 kg Wasser, mit denen sich die Klamotten vollgesogen hatten.
Anschließend ging es weiter in den Wald einen Fahrradtrail bergab. Steil. Sehr steil. Und nebenan sah man, dass sich andere Teilnehmer genau diesen Berg wieder hinaufkämpften – Freude sieht anders aus…
Unten angekommen, um eine Kehre gelaufen, den Berg in seiner vollen Pracht vor sich gesehen. Es ging wieder bergauf! Am Rande einer vereisten schwarzen Skipiste. Fragende Blicke in die Runde, ob jemand Steigeisen oder Eispickel dabei hat? Niemand? Dann muss es ohne gehen!
Für Viele ging es nur auf allen Vieren bergauf. Teilweise ist man meterweise auf einer Eisplatte unterwegs gewesen. So zog sich die Karawane nach oben. Plötzlich werden wir von rechts im Eiltempo, aber auch auf allen Vieren, überholt. Von niemand geringerem als Hagen Brosius. Dieser befindet sich auf der langen Strecke, bereits in Runde zwei und somit auf der Zielgeraden. Wahnsinns Leistung!
Wir brauchen noch ein paar Augenblicke, bis wir auch oben ankommen. Dort wieder kurze Wartezeit, bis das Team komplett ist und weiter gehts. Nach kurzer Tief-Kunstschnee Phase steil bergab kamen wir an einem, sagen wir mal, Weaver-Versuch an. Es war ein eher wackliges Holzgestell mit nassen dicken Plastikrohren montiert. Der Volunteer sagte am Einstieg schon, dass man einfach nur drüber muss. Zum einen war das nasse Plastik rutschig wie Seife, zum anderen war zwischen den Rohren kaum Platz, um sich überhaupt dazwischen stellen zu können. Leider! Also oben drüber. Bereits hier gab es bei anderen Teilnehmern viele Wadenkrämpfe – wen wunderts?! Weiter gings über einem Turm aus Heuballen und nun waren wir wieder am Gipfel des ersten Bergaufsprints. Hier durfte man nun an zwei aneinanderhängenden Leitern hangeln. Leider waren die Leitern teilweise lose und somit seeeeeehr mobil. Teilweise dann auch zu weit weg, um zur zweiten Leiter überzugreifen. Weiter gings auf eine Steilwand mit einem Seil zu. Hochkommen war leicht – nur dann war man oben und auf der anderen Seite kam erst ganz tief unten überhaupt ein Balken. In der Mitte des Hindernisses hing so eine Art Feuerwehrschlauch – aber selbst für Geübte wäre das keine Abstiegshilfe. Also blind herunterlassen, bis die Fußsohlen irgendwann den Balken berühren. Gegenseitig und für kleinere Mitstreiter, haben Andere die Füße zum Balken helfend geführt. Unten übrigens keinerlei Sicherung! Teer, Steine und Holzkanten. Definitiv Nachbesserungsbedarf! Ein Abstürzen wäre hier schnell passiert und führt definitiv zu schweren Verletzungen…das muss nicht sein. Vor allem – weil es eigentlich nur der Abstieg vom eigentlichen Hindernis war.
Gut – geschafft – direkt zur Verpflegungsstation und den Berg hinunter, welchen man vor knapp 2 Stunden hinaufgesprintet war!
Man war (fast) wieder am Sportplatz. Zumindest am Hochseilgarten nebenan. Schnell eine wacklige Trittleiter hinauf zur Glocke, weiter ein paar Meter am Seil entlangziehen und dann: ging es wieder hinauf!? Anscheinend stand hier mal eine Skisprungschanze – die Treppen dafür waren noch da. Also wieder steil hinauf! Es waren Stahltreppen mit freiem Blick nach unten – teilweise ein Problem für Leute mit Höhenangst. Durchgekämpft. Oben angekommen. Wieder durch den Wald nach unten – diesmal wirklich zum Sportplatz und rein ins ‚Stadion‘. Erstmal ging es durch zwei mit Wasser gefüllten Bauschuttcontainern. Kein Eiswasser und nach den eben absolvierten Treppen, richtig angenehm. Dann zu einem Monkeyswing (Holzgriffe und Ringe im Wechsel) welcher auch über Wasser führte. Leider fehlten hier schon ein paar Ringe und die Holzgriffe waren komplett nass. Das macht das Ganze nicht leichter!
Durch – Fotografen für ein weiteres Gruppenfotos genutzt, und weiter gehts über Reifenstapel und kriechend durch Reifenröhren im Wechsel. Anschließend warteten 3 Wände mit geschätzten 2,60-2,80 Metern Höhe. Ich habe sie aus eigener Kraft noch bezwingen können – bei den andern war Teamleistung gefragt.
Dann ging es über und durch Autos, die da anscheinend falsch parkten. Beulen und Kratzer ließen sich nicht vermeiden. Ein wirklich kleiner A-Frame und dann wusste man, lief man auf’s Schwimmbecken zu. Man lief auf das Wasser zu. Zum schwimmen. Zum tauchen. Ein Schild davor versprach vieles: +8 Grad – hörte sich doch eigentlich gar nicht so schlimm an?! Dann standen wir am Beckenrand, vor uns schwammen einige Holzbalken, die untertaucht werden wollten. Daniel nahm Anlauf und sprang heldenhaft Kopf voran ins klare Wasser. Beim Auftauchen stöhnte er nicht auf – okay, es kann nicht so schlimm sein! Also der Rest der Gruppe hinterher. Kurz zu den Balken schwimmen. Ist ok. Einmal tauchen. Locker. Zweimal tauchen. Geht noch. Dreimal tauchen. Hm, irgendwie schon kalt am Kopf. Viermal – Fünfmal tauchen. Das zieht ganz schön! Nach dem sechsten Tauchgang hatte ich komplette Gehirnvereisung! Gut, die letzten 2..3 Stämme umschwimme ich dann mal! Die anderen konnten es durchziehen. Aus dem Becken raus, 5 Meter weiter wieder ins Becken rein und nochmal queren. Eigentlich sollte man da über im Wasser treibende Fässer klettern – war anscheinend schon verschlissen. Also zum anderen Beckenrand geschwommen und raus aus dem kalten Nass. Dem Kopf ging es auch wieder gut. Dann ging es durch zwei mit Wasser gefüllte Schlammgruben- und berge. Machbar. Eine kleine Wand zum drübersteigen. Check. Kleine Anhöhe – das Ziel schon vor Augen. Nochmal kurz auf aufgeschüttetem Sand ca. 20 Meter kriechen. Jeder, der sich hier rollte, sah aus wie frisch paniert. Gibt schöne Finisherfotos! Dann stand da nochmal ein mit Wasser gefüllter Bauschuttcontainer – grob den Panier-Sand abwaschen. Team sammeln, eine Reihe bilden und mit dem Sprung übers Feuer zusammen die Ziellinie überqueren, das Blech abholen und sich verdient und stolz in die Arme fallen.
Mittlerweile bin ich das achte Jahr aktiv in Hindernisläufen unterwegs und kann es mir erlauben, ein wenig beurteilen zu können. Das Braveheart Battle in Münnerstadt war einer der härtesten Läufe überhaupt, das Braveheart Battle in Steinach hat definitiv Potential dazu, gleichzuziehen! Dabei meine ich nicht die Schwierigkeit der Hindernisse, die Kälte, die Laufstrecke, das Wasser oder die Höhenmeter an sich – sondern die Kombination aus alldem, was den Willen des Einzelnen brechen soll! Aber, 2015 und 2019 gleich, hilft hier Jeder Jedem! Es wird einem immer eine helfende Hand gereicht, angefeuert und motiviert! William Wallace kämpfte im 13. Jahrhundert für die Freiheit gegen die englische Krone – tapfere Starter in 2019 kämpften gegen ihren inneren Schweinehund, krampfende Waden und die unbarmherzige Thüringer Natur!
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