Wie lange wollen wir diesen Sport eigentlich noch machen? Wann ist man zu alt für OCR?

Dieser Frage sind wir in einem spannenden Experiment nachgegangen. Vor einigen Monaten hat eine Produktionsfirma der ARD bei uns angefragt, ob wir uns vorstellen könnten, für eine fitte Seniorengruppe auf unserem Gelände ein Training abzuhalten. Unser Gelände stand zur Verfügung, leider fehlte uns die Seniorengruppe.

Diese konnte durch die Produktionsfirma dann doch schnell gefunden werden – die coolen Damen und Herren der Senioren-Fitness und Gymnastik Abteilung des TSV Milbertshofen. Fehlte nur noch ein Trainer oder eben eine Trainerin und da war unsere Elli sofort bereit sich der Herausforderung zu stellen, da sie durch die Kurse in der Arbeit auch schon Erfahrung mit Älteren hatte. Bedenken kamen ihr jedoch trotzdem.

“Welche Hindernisse würden wir auf dem Gelände machen und bei welchen ist die Verletzungsgefahr zu groß? Wie fit ist eine fitte Seniorengruppe?” 

Von Elli

Zeitnah wurde vor den Sommerferien noch ein Termin für ein Training ausgemacht und auch der Hindernislauf wurde schnell gefunden. Es sollte der Tough Mudder 5k in Wassertrüdingen im September werden. 

Wir fanden uns also an einem wunderschönen Dienstagabend auf dem Gelände ein. Im Gepäck hatte ich eine Präsentation der Hindernisse des 5k Tough Mudder, einen Trainingsplan für die Ferien, eine Packliste für OCR Läufe, Gummibärchen und ein leicht mulmiges Gefühl. Das Kamerateam erwartete mich und ich wurde sofort verkabelt. Erst dann durfte ich die Senioren begrüßen, es sollte ja natürlich aussehen. Wir haben uns auf Anhieb gut verstanden und gleich mit dem Training begonnen. Das schwierigste war „natürlich“ zu wirken und „nicht in die Kamera zu schauen“ wenn man Regieanweisungen erhält und Szenen „nochmal“ dreht. Die Hindernisse, die wir zusammen machten, waren eine Slackline mit festhalten, unsere kleine Wall sowie Ringe und der erste Balken vom Weaver. Unter den wachsamen Augen des Vorstandes wurde ordentlich trainiert und nach mehr als 2 Stunden gab es auch die ersehnten Gummibärchen. Ich glaube, alle waren erleichtert, dass es zu keinen Verletzungen kam. Spontan entschieden wir, dass es besser wäre, noch zwei weitere Trainer, nämlich Sigi und Mike, zum Tough Mudder mitzunehmen, um alle sicher ins Ziel zu bringen.

1,5 Monate später trafen wir uns, um gemeinsam mit einem Bus zum Tough Mudder zu reisen. Insgesamt 11 Senioren und Seniorinnen haben sich entschlossen, an dem Experiment teilzunehmen. Die Stimmung war aufgedreht und alle waren überwältigt, als wir ankamen. Oft diskutiert wurde die Frage, ob man den Angehörigen von der Teilnahme erzählt hatte oder sie lieber verschwiegen hat. Die Reaktionen darauf waren ebenfalls sehr vielfältig. Von einer Seniorin war der Sohn zur Unterstützung angereist, mit Fotoapparat und erste Hilfe Set, was sich später als Glücksfall herausstellte. 

Nachdem die Teilnehmenden einheitliche Leibchen mit Teamnamen – „Die Grauen Stars“ und Namen erhalten hatten, verpassten wir prompt unsere Startzeit. 15 Minuten später standen wir vor dem sichtlich begeisterten Anheizer im Startblock und erhielten Anweisungen. „Strom bitte auslassen, wenn ihr Herzschrittmacher tragt“ war nur einer der Hinweise. Danach ging es auf die Strecke und gleich ins erste Matsch-Loch. Hier stellte sich heraus, dass auch eine Senioren Gruppe inhomogen sein kann – knapp 20 Jahre unterschied bei der Jüngsten (65 Jahre) und unserem Ältesten (84 Jahre) fielen teilweise deutlich auf. Unser 84-Jähriger zweifelte ab der ersten Minute. Warum war er dabei? Er muss sich nichts mehr beweisen. Er geht lieber ins Theater. Seine Frau hatte Recht. Das ist einfach nichts für Ihn.

Wir liefen nach dem Motto: am Hindernis sammeln, anschauen, entscheiden ob man es machen möchte – durch. Sigi, Mike und ich hatten alle Hände voll zu tun. Die Schnelleren bremsen, die langsameren mitnehmen, Aufhelfen, Stützen, gut zureden. Die Stimmung auf der Strecke war gut und die anderen Teilnehmer haben insbesondere bei schweren Passagen super geholfen. Die Senioren erhielten sehr viel Zuspruch. Unser Fernsehteam wartete an 4 Hindernissen auf uns und ließ uns die restliche Zeit mit der Gruppe alleine Laufen. Die Kameras mit 16 Kilo waren nicht dafür gemacht, durch unwegsames Gelände bergauf bergab getragen zu werden. 

Es stellte sich heraus, dass die Strecke doch keine 5, sondern 7 Kilometer lang war. Es gab leider auch eine etwa 3,5 Kilometer lange Strecke („Berg und Tal“), auf der es keine Verpflegung gab. Hier hatten wir den einzigen kleinen Unfall, eine Teilnehmerin stürzte über eine Wurzel, vielleicht war es die Erschöpfung, und unser Sani kam zum Einsatz. Sie hatte sich eine Schürfwunde an der Hand zugezogen. Ich fragte bei den Läufern herum, ob jemand Traubenzucker hätte und wir hatten Glück. Danach war es nicht mehr weit, bis wir wieder zu unserem Kamerateam stießen und Kekse, Obst und Wasser bekamen. Gestärkt ging es in die letzten Hindernisse. Flussdurchquerungen, Matsch-Gruben und Kriechhindernisse wurden erfolgreich gemeistert. Am Ende standen wir vor dem Mudder-Horn. Eine Teilnehmerin hatte die ganze Hinfahrt davon geschwärmt und gesagt, dass sie es unbedingt versuchen wolle. Mike, Sigi und ich waren uns nicht sicher, ob wir es wagen könnten. Die Erschöpfung, nach über 3 Stunden stand allen ins Gesicht geschrieben. Dennoch entschieden sich 2 Männer und 2 Frauen, es zu versuchen. Gemeinsam halfen wir dabei, die Senioren und Seniorinnen über die Schrägwand zum Netz zu bekommen. Dort angekommen, sprachen wir andere Teilnehmer an, die Senioren bis zur anderen Seite zu begleiten, was sie auch taten. Über die Lautsprecher wurde unser Team angefeuert und alle waren stolz und erleichtert, nach 10 Metern Höhe wieder festen Boden unter den Füßen zu spüren.

https://toughmudder.de/sites/default/files/styles/ecards_lightbox_800x800/public/tough_mudder_MUDDERHORN_2.jpg?itok=4vvM2i1K
Das Mudder Horn

Hand in Hand näherten wir uns dem Zieleinlauf und ernteten Beifall für unsere Leistung. Unsere Fernseh-Betreuung wartete auf uns und nach einer kleinen Stärkung trieb es uns auch schon unter die kalten Duschen. 

Noch eine Situation auf der Strecke wird mir wohl in Erinnerung bleiben. Der Einstieg zu „Berg und Tal“, ein etwa 10 Meter steil abfallender Hang mit Seilen. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie wir da alle hinunter kommen sollten. Von hinten drängelten weitere Läufer hinzu. Mike machte eine klare Ansage: Wer die grauen Stars überholen wolle, sollte sich rechts halten. Wer helfen wolle, sollte Helfen. So hielten unten 3 Männer das Seil straff, Mike half beim Hinsetzen und Einstieg in den Berg, wurde dort abgelöst von einem anderen Mann und unten warteten Sigi und noch ein Mann. Gemeinsam schafften es alle runter und unten wieder auf die Beine. 

Die Stimmung auf der Rückfahrt war ausgelassen, es wurde auf den Erfolg angestoßen und alle waren glücklich. Manche wollen das Abenteuer mit ihren Kindern und Enkeln wiederholen. Andere lieber ins Theater gehen. Ich bin auf jeden Einzelnen stolz. Wir haben als Team gut zusammengearbeitet, uns gegenseitig geholfen und motiviert. Für uns alle war es eine Reise mit vielen Fragezeichen. 

Und am Ende ein Erlebnis, das ich nie mehr vergessen werde. 

Wann man zu alt ist für OCR? Mit dem richtigen Team – wahrscheinlich nie.

Die Ausstrahlung der Sendung findet am 11. November 2019 um 20:15 Uhr im Ersten statt.

Link zur Google Fotos Galerie mit über 100 Fotos

Hast du auch einen Bericht für uns?
Schicke ihn an: socialmedia@ocr-munich.de