Die OCR WM in Kelvedon Hatch/London – oder die Chickenwing-Spiele 2019

von Kai und Olli

Vorwort: Von alten Männern und kleinen Kindern (von Elisabeth Müllers)

Seit 2 Wochen höre ich nichts anderes mehr: OCR World Championships 2019 in London. Mein Mann, Vater-Ehemann-Führungskraft-Kind, ist seit diesen 2 Wochen in seiner Rolle als Kind gefangen. „Bald geht’s los, bald geht’s los! Bin ich genug vorbereitet? Welche Kleidung nehme ich mit? Schaffe ich es dieses Mal???“ Auch ich bin froh, wenn es bald losgeht und er im Flieger nach London sitzt.

Unsere anderen beiden Kinder kosten mich gerade weniger Nerven. Seit einigen Wochen trainiert Kai noch intensiver und die Freude auf das restliche Team wächst zusehends jeden Tag. Nachdem er in den letzten zwei Jahren zwei enttäuschende Europameisterschaften und ein mittelmäßiges Finale der OCR Series hinter sich gebracht hat, will er es wohl noch mal wissen. Manchmal glaube ich, er läuft und klettert gegen die Midlife-Crisis an 😉

Und dann geht es endlich los. Am Donnerstag, den 10.10. in aller Früh verabschieden wir uns und er tritt seine Fahrt zum Flughafen Frankfurt an. Von dort geht es Non-Stop nach London. Für abends ist dann das Wiedersehen mit einem Teil des OCR Munich geplant. Viel Glück, starke Arme, starke Beine und Erfolg euch allen.

3k – 25 Hindernisse, 11.10.19 (von Kai):

Nach zwei OCR European Championships, die beide nicht erfolgreich verliefen und einem eher mittelmäßigen OCR-Series Finales Run, bin ich zwar mit offenen Rechnungen zu diesem internationalen Event angereist, jedoch verhalten in meiner Erwartung. Die Freude auf das Team wiegt höher als die Freude auf das Rennen und so feiern wir das Wiedersehen im Hotel auch sehr herzlich bei einem gemeinsamen Abendessen. Nach einer ersten erholsamen Nacht frühstücken wir sehr spärlich und machen uns auf den Weg zum Gelände. Da ist er also, der erste Wettkampftag. Wie so häufig fühle ich mich recht schlecht vorbereitet, kenne weder die Namen der Hindernisse noch die diversen Videos von eben diesen. Dennoch, ich fühle mich körperlich gut und bin sehr motiviert. Meine Strategie ist es, nur zart zu laufen, um zwischen den Hindernissen zu erholen. Die erste Zeit auf dem Eventgelände vergeht wie im Flug. Wir begrüßen viele weitere OCR’ler aus Deutschland und kommen mit den restlichen Teammitgliedern des OCR Munich zusammen.

Kurze Zeit später stehe ich mit Olli, Carsten und Lars an der Startlinie. Die alten Männer des OCR Munich. Vom Start weg fallen wir relativ schnell zurück, dennoch, ich halte am Plan fest, Energie sparen und zusammenbleiben, solange es geht. Die Stecke beginnt sehr uneben und matschig. Die ersten Hindernisse sind easy zu meistern, bevor nach einem kurzen Waldstück das erste MultiRig auf uns wartet. Hände und Füße dürfen gleichermaßen benutzt werden, um eine Kombi aus Seilen, Stangen und Ketten zu bewältigen. Weiter geht’s zum Event Zelt und zur Valkyrie. Das Hindernis liegt mir gut und so geht es weiter zu einer Abfolge von armlastigen Hindernissen. Nach der Valkyrie folgt das Force 5 Rig 2, ein Rig mit dynamischen Elementen, gefolgt von Sabretooth. Hierbei handelt es sich um Monkey Bars, die auf die Länge des Hindernisses zweimal auf und absteigend sind. Durch den inzwischen eingesetzten Regen für viele das herausforderndste Hindernis des Tages. Mit viel Mühe und häufigem Nachreifen schaffe ich die Glocke zu schlagen.

Es folgt ein Low-Rig und dann im Event-Zelt die Gibbons. Ich versuche es zunächst mit langem Arm und durchschwingen. Jedoch fordern die ersten Hindernisse ihr Tribut und ich scheitere im ersten Versuch. Im zweiten Versuch hake ich in die Armbeuge ein und komme gut durch. Nun spüre ich zum ersten Mal, heute geht was. Skitches, Skull Valley, Quarters Pipe und Ninja Rings bewältige ich ohne größere Schwierigkeiten. Auch die Arme machen noch super mit. Der Weaver ist dann das letzte kraftzehrende Hindernis. Hier höre ich allerdings schon den Lärm aus dem Zielbereich und ich bin mir sicher, das Ding trägst du nach Hause. Bei der Ramp Wall lasse ich mir noch mehr Zeit und genieße den Augenblick.

Kurze Zeit später bin ich im Ziel und habe mein Band verteidigt. Geilo – da ist das Ding. Irgendwie genieße ich den Moment dann doch nicht so lange, wie ich mir das immer vorgestellt habe. Wo ist der Rest des Teams? Wo haben wir uns getrennt? Ich war zu lange in meinem Tunnel. Schnell etwas Warmes an, Essen schnappen und die Strecke rückwärts abgehen. Ich finde Olli und seine Motivations-Crew mit Chris, Stephan und Nicole an der Snake Pit, dem letzten anspruchsvollen Hindernis vor dem Ziel. „Komm schon Olli“. Er kämpft wie ein Löwe. Während diesem Kampf schwanken seine und unsere Emotionen in alle Richtungen und allen vorstellbaren Intensitäten. Regen, Kälte und starker Wind gesellen sich leider zu seinem entkräfteten Körper und so muss er leider sein Band abgeben. Sehr schade, mein Freund. Es wäre verdient gewesen und wir hätten es dir sehr gegönnt. Neuer Anlauf im Team – Kopf hoch.

3k – 25 Hindernisse, 11.10.19 (von Olli):

Der Morgen des ersten Wettkampftags. In Kelvedon Hatch ist es nasskalt, um die 8 Grad und das Eventgelände beginnt sich unaufhaltsam in eine Matschlandschaft zu verwandeln. Als erstes starten die Männer der AG 30-39 in 10er-Wellen alle 60 Sekünden („nur für dich, Uwe!“), eingepeitscht vom Sprecher, der seinen Job verdammt gut macht. Mike, Mitch, Chris und Sven sehe ich starten und grinsend an uns vorbeisprinten. Im Anschluss sind die Damen derselben AG dran. Ein bisschen langsamer aber ebenso fröhlich huschen u.a. Nicole, Elli und Claudi los. Auf der Gegengerade kommen bereits die ersten Läufer zurück zum Eventgelände und spätestens jetzt ist das Racefieber da. Man hat guten Blick auf die Strecke und es wird von allen Zuschauern genauestens beobachtet, wie problematisch sich die Hindernisse aufgrund des leichten Regens verhalten. Dann ist es Zeit sich ein trockenes Plätzchen zu suchen, sich seiner Wärmeklamotten zu entledigen und die schwarz-rot-goldene „Wurstpelle“ („nur für dich, Nicole!“) zu präsentieren.

11 Uhr, mit ein bisschen Verzögerung dürfen die Silberrückern der AG 40-49 in den Startbereich. Mit mir auch Kai, Carsten und Lars. Wir schaffen es gemeinsam in einen der letzten 10er-Heats und dann starten auch wir, und zwar genauso breit grinsend wie unser Jungs und Mädls zuvor. Ich bin der Langsamste unseres Quartetts aber die Jungs warten immer wieder auf mich, so dass wir die meiste Zeit zusammenlaufen können. Vielen Dank dafür, das war schon top.

Nach ein paar Metern über das offene Feld folgen erst einmal ein paar leichtere Hindernisse. Es geht durch einige Gräben, über ein paar Reifen und Hurdles und durch den Wald hin zur ersten technischen Kombo („Force 5 Rig 1“), die aus Ringen und ovalen Wheels besteht. Der Grip meiner Handschuhe passt und ich läute die Glocke. Direkt danach folgt „La Gaffe“, ein Obstacle, welches ich aus einigen Videos der Vorjahre kenne. Deutlich vereinfacht sieht es aus und so war es letztlich auch keine besondere Herausforderung. Man hängt sich an zwei Stangen und eine Leiter und klappt diese mittels Verlagerung des Körpergewichts in die andere Richtung und schon bimmelte es. Ich schließe wieder zu den Jungs auf und weiter geht es auf eine längere Trailpassage durch den Wald und zurück Richtung Gelände. Dort wartet das große „Nuclear Rig“ auf uns. In zwei Parts geteilt, besteht dieses Rig aus Seilen, Griffen, Ringen und Ketten. Hier kommt es auf Koordination und Gleichgewicht an. Auch hier läuft es für uns alle gut und es bimmelt viermal, yeah!

Jetzt wird es spannend! Zum einen laufen wir auf das große Eventzelt zu, in dessen Ecken sich drei der spektakulärsten Hindernisse der Weltmeisterschaft befinden, zum anderen stehen mittlerweile zahlreiche Zuschauer neben der Strecke und feuern die Läufer an. Das kann schon was! Zeltecke Nr. 1, die „Valkyrie“. Eine große Ausgabe unserer Monkeybar-Pyramide im „Schrecklichen Sven“, an deren Querstangen allerdings Ringe befestigt sind. An diesen zieht man sich mittels Klimmzugs und Schwung Ring für Ring nach oben, um auf der anderen Seite wieder unten die Glocke zu berühren. Für viele der erste Endgegner, aber nicht für uns vier.

Richtig nasskalt ist es mittlerweile, als wir wieder außerhalb des Zelts zu „Sabretooth“ kommen. Hier gilt es ein großes „Monkeybar-M“ zu hangeln. Klingt einigermaßen leicht, ist es aber nicht. Wir treffen hier auf Elli, die seit geraumer Zeit wie eine Löwin mit dem Hindernis kämpft und schon mehrere Versuche unternommen hatte. Die Bars sind ziemlich dick und rutschig. Stück für Stück arbeite ich mich voran und es ist mehrmals auf Messers Schneide nicht abzurutschen. Schlussendlich berühre ich die Glocke beim ersten Versuch und bin superhappy. Das war echt hart. Lars empfängt mich mit einem High Five und Kai folgt unmittelbar. Jetzt ist Carsten dran und wird von uns angefeuert. Leider rutscht er ab und muss ganz zurück zum Anfang. Immer wieder starten Elli und Carsten neue Versuche aber schlussendlich geben beide hier ihr Bändchen ab. Elli ist untröstlich und wir versuchen Sie wiederaufzubauen. Wir haben dich kämpfen gesehen, liebe Elli, du hast alles gegeben! Carsten geht ganz relaxed damit um, will er sich doch für die 15k und das Team schonen. Chris hat bereits gefinisht und taucht bei uns neben der Strecke auf (mit Medaille UND Band, yesss!). Er sollte ab diesem Zeitpunkt immer in unserer Nähe sein.

Zurück in Ecke Nr. 2 des Zelts stehen wir vor dem „Force 5 Rig 2“. Wohoo, das sieht wieder spektakulär aus. Schwung holen, mit diesem von Ankergriff zu Ankergriff in ein Wheel gependelt und genau, bimmeln. 1. Versuch funktioniert, High Five von Lars und ich bin megahappy. Läuft bei mir WM-Rookie! Zu viert geht es weiter zum „Force 5 Low Rig“. Hier kann ich nur sagen, trainiert das Low Rig auf unserem Gelände und die nötige Technik. Die hätten sich viele der Athleten in diesem Moment gewünscht, als sie da alle auf dem Rücken lagen. Wir kommen relativ schnell durch, obwohl es langsam, aber sicher an die Substanz geht.

Und da waren Sie dann also in der letzten Ecke des Zelts, die „Gibbons“! Das meist diskutierteste Hindernis vor und nach der WM. Mein heimliches Ziel war es, das Band bis hierher zu verteidigen und das hatte ja schonmal funktioniert. Alles andere sollte für mich wie eine Zugabe sein. Die „Gibbons“, die ja seit kurzem auch bei uns auf dem Gelände im High Rig hängen, hatte ich zuvor nicht einmal auch nur im Ansatz geschafft. Also machte ich mir hier keine Illusionen! Lars ging wie immer als Erster unseres Quartetts voran und meisterte das Ding mit souveräner Technik. Bravo! Es folgte Carsten und er versuchte es mit der Chickenwing-Technik. Sieht schmerzhaft aus, ist es auch meist aber es funktionierte und er kam durch, BÄM! Jetzt ich… „Chickenwing“ dachte ich mir und plötzlich hing ich drin, steckte ein ums andere Mal das Stöckchen in den nächsten Gibbon und schwang ab etwa 2/3 der Strecke zur Glocke. Treffer!!! Ich hatte tatsächlich die Gibbons geschafft und hätte am liebsten einen Shuffle aufs Parkett gelegt. Diesmal gabs von Lars und Carsten ein fettes High Five! Kai kam im zweiten Versuch auch locker ans andere Ende uns so ging es für uns wieder hinaus in die Schlammschlacht.

Nun folgten „Force 5 Over/Under“, das Mut-Hindernis „Triumph“ (Sprünge aus zwei Metern Höhe an wiederrum ca. 2 Meter entfernte Eisenstangen mit anschließender Netz-Unterquerung) und „Skitches“. Vor dieser wackligen Stange hatte ich ziemlich Respekt, da ich es kaum vor der WM ausprobieren konnte. Aber das Adrenalin in diesem Moment machte es möglich und ich hangelte an den zwei Haken im ersten Versuch direkt bis zur Bimmel. High Five mit Lars, muhaa! Und wie sollte es auch anders sein, Carsten und Kai folgten unmittelbar darauf. In der Zwischenzeit lief auch Chris nicht mehr allein neben uns her. „Äffchen“ Stephan und Nicole hatten uns gefunden und die drei folgten uns nun auf Schritt und Tritt. Das hat unheimlich motiviert! So konnte ich auch das gefürchtete (aber zum Vorjahr vereinfachte) „Skull Valley“ und die „Quaterpipe“ auf Anhieb überwinden und mein Puls ging immer höher aufgrund des immer noch vorhandenen Bandes an meinem Arm.

Direkt nach der Pipe waren die „Ninja Rings“ aufgebaut. Man erhält zwei Ringe in die Hände, mit deren Hilfe man schwingend eine Stangenpyramide bezwingen muss. Hier trafen wir auch wieder auf Elli und sogar Jana und John. Mein erster Versuch ging mangels Idee ziemlich in die Hose und ich musste mich in der Retry Lane anstellen. Der Andrang war relativ groß, da ein Teil des Hindernisses für die im Anmarsch befindliche Elite gesperrt wurde. So hatte ich Zeit mir die Technik der anderen Läufer genau anzuschauen. Und das war gut so, denn Versuch Nummer zwei saß auf Anhieb und ich sprang lautstark von John angefeuert über die Markierung. Jetzt grübelte ich richtig, welche Hindernisse da noch so kommen würden und ob ich wirklich Chancen aufs Band hätte…

Es ging weiter auf einem schönen Trail durch den Wald und ich hatte ein breites Grinsen im Gesicht. Stephan und Nicole meinten zuvor, dass da im Prinzip nur noch ein technisches Hindernis im Wege stünde und alles andere danach absolut „easy“ sei. Und prompt kam mit dem nächsten Hindernis „Snake Pit“ mein persönlicher Endgegner! Ein High Rig mit fünf Seilen inkl. Fußknoten, gefolgt von einer kurzen Tyrolian Traverse, hinein in die nächsten fünf Seile. Eigentlich relativ ok bei erster Betrachtung und bis zur Traverse war auch alles wie aus einem Guss. In der Traverse allerdings merkte ich dann aber deutlich, dass die Griffkraft nachließ und beim Übergang in die nächsten Seile machten einfach die Hände auf. Verdammt, jetzt war guter Rat teuer.

Ich versuchte es immer wieder und bei ein und demselben Übergang spielte die Griffkraft nicht mit. Es war zum Verzweifeln. Irgendwann ballerte die männliche und weibliche Elite in Form von Jon Albon, Ryan Atkins, Leon Kofoed, Nicole Mericle oder Ulrikke Evensen durch den „Snake Pit“, als gäbe es kein Morgen und auch John, Jana, Elli oder Mirj schlossen zu mir auf. Meine drei Jungs hatte ich schon längst weitergeschickt, aber Nicole, Stephan, Chris und ein paar weitere Deutsche waren immer noch da und motivierten mich bestmöglich. So ging das über eine Stunde. Leider nahm der Wind stark zu und es begann zu regnen. Einen letzten Versuch wollte ich noch unternehmen, aber es ging einfach nicht mehr. Mit einem weinenden aber auch einem lachenden Auge gab ich mein Band ab.

An dieser Stelle vielen Dank an die bereits erwähnten Personen und auch Kai, der nach seinem Finish wieder zurückkam. Ihr habt so lange bei diesem Mistwetter neben mir ausgeharrt und mich immer wieder angefeuert, das war absolut großartig und ging mir echt nahe. Sorry, dass ich es nicht mit dem Band belohnen konnte…

Also lief ich weiter aber die Luft war irgendwie raus und die letzten Stationen (ein viel zu leichter „Yoke-Carry“, Balance-Hindernis „Equilibrium“, „Weaver“) absolvierte ich irgendwie so nebenbei. Scheiße war das knapp, dachte ich mir immer wieder. So stand ich dann vor der letzten Hürde, der 4m-Wall. An dieser hingen Seile mit Knoten bis etwa zur Hälfte der Wand herunter. Ich kam auch relativ leicht nach oben, aber als ich mich hochziehen wollte, war da einfach kein Saft mehr. Erst beim dritten Versuch und mit den Knoten als Standhilfe, konnte ich die Wand überwinden und über die Ziellinie laufen. Im ersten Moment fühlte es sich wie eine Niederlage an, aber das ging ganz schnell vorbei. Ich bekam so viel nette Worte und Anerkennung von allen Seiten, so dass ich ganz schnell wieder grinsen konnte und mittlerweile bin ich mit meinem 3k-Lauf wirklich zufrieden. Klar, spukt der „Snake Pit“ immer noch in meinem Kopf rum, aber vielleicht steht man sich ja eines Tages nochmals gegenüber und dann gehörst du mir…

Glückwunsch an alle Athleten, die an diesem Tag auf der Strecke gekämpft haben. Egal ob mit oder ohne Band am Ende, es war ein hartes Rennen und seid einfach stolz auf euch.

15k – 75 Hindernisse, 12.10.19 (von Kai):

Nachdem wir am gestrigen Abend die ersten Erfolge gefeiert und Enttäuschungen weggespült haben, stehe ich wieder an der Startlinie. Mein Körper vermeldet leichte Hinweise auf exzessiven Gebrauch, jedoch treten meine schlimmsten Befürchtungen nicht ein. Die Unterarme sind noch offen. Wenn ich gut rein komme und das Wetter hält, kann ich auch heute weit kommen. Da es gestern gut funktioniert hat, möchte ich auch heute kraftsparend laufen und zwischen den Hindernissen regenerieren. An der Startlinie treffe ich auf Markus. Er fährt eine andere Strategie und möchte voll durchziehen. Mit Erfolg. Am Ende landet er auf Platz 14, Kompliment Markus. Sehr stark.

3-2-1-los. Start mit langsamen Dauerlauf. Die Strecke ist durch den andauernden Regen und die viele Nutzen ein echtes Schlammloch. Nach anfänglichen einfachen Hindernissen kommt bereits sehr früh eine sehr nasse, nicht griffige Monkey-Bar. Als ich am Hindernis ankomme, geben die ersten Läufer bereits ihr Band ab. Na toll, das fängt ja gut an. Und tatsächlich ist die Monkey Bar schwer zu nehmen. Sofort im Anschluss folgt ein Carry durch ein Schlamm-Wasser-Netz-Parcours. Eine kräftezehrende Hölle.

Km 3 und ich zweifele bereits an mir. Zu diesem recht frühen Zeitpunkt glaube ich nicht mehr wirklich an mich und nehme mir vor die Hindernisse zu genießen. Mit dieser Einstellung gelingt es mir sehr gut die folgenden Hürden zu nehmen. Die Hindernisse sind zwar wieder sehr armlastig, nass und nicht griffig, aber sie machen Spaß. Zwischendurch habe ich mich auch entschlossen, meine Handschuhe anzuziehen, das hilft. Risk Take, Minions, Splat the Rat machen echt Bock und meine Laune steigt. Dann ist auf einem sehr viel los – grölende Zuschauer warten bei einem kleinen Bereich mit gleich 5 Wasser-Hindernissen. Mud Cage, Slippery Slope, Aquaphobia, Connect Four und Reverse Slick. Bombe – saugeil. Den Teil hätte ich am liebsten wiederholt. Hier treffe ich auch endlich auf bekannte Gesichter. Stephan, Olli und Nicole haben sich hier platziert, um sich das Schauspiel anzusehen. Olli ruft mir noch aufmunternd hinterher: „Gleich kommt der Stairway to Heaven, da geben alle reihenweise auf“ und weiter geht’s.

Tatsächlich muss ich beim Stairway to Heaven zweimal ran und auf den letzten zwei Stufen muss ich auch hinten durchgreifen, aber es geht. Langsam werde ich echt müde und die Kracher von gestern kommen erst noch. Hindernis für Hindernis geht es voran. Auch Valkyrie, Nuclear Rig und la Gaffe schaffe ich irgendwie. Dann kommt Sabretooth und ich stelle mich darauf ein, dass es hier endet. Ich nehme mir sehr viel Zeit. Laufe vor dem Hindernis wiederholt 50 Meter vor und zurück, um nicht kalt zu werden. Gleichzeitig aber auch, um meine Arme und Hände zu regenerieren. Ich bin mir sicher, dass ich dieses Hindernis nur einmal versuchen werde – direkt schaffen oder aufgeben, für mehr reicht meine Kraft nicht. Los geht’s. Die ersten Stangen nach oben gehen gut in dem ich mich seitlich bewege, nach dem oberen Scheitelpunkt gehe ich zum normalen hangeln über. Jetzt lässt meine Kraft nach. Zwei Stangen nehme ich mit der Ellenbeuge. Das spart Kraft für den Rest und ich schlage die Glocke. Yes!

Force 5 Rig 2, Force 5 Low Rig, Ninja Rings, Snake Pit, Skull Valley, Gibbons, es entwickelt sich immer mehr zu einem Kampf gegen meinen eigenen Körper. Dann komme ich zu den Skitches. Normalerweise bewältige ich die wirklich gut. Nicht so heute, nicht mehr jetzt. Erster Versuch, Zweiter, Dritter. Die Pausen zwischen den Versuchen werden immer länger. Ich dehne, knete meine Unterarme auf und jogge leicht gegen die Kälte. Jana und Michi stoßen dazu. Es tut gut die zwei zu sehen. Allerdings bin ich inzwischen körperlich und mental so kaputt, dass ich meine Freude weder in mein Gesicht noch in meine Worte transportieren kann. Jana hat ihr Band bereits abgeben müssen und wirkt unterkühlt. Entsprechend halten die zwei sich nicht lange auf und ziehen weiter. „Verdammt, ich muss hier auch weg“ Noch einmal fokussieren für einen letzten Versuch, dann laufe ich den zwei hinter her. So oder so. Und tatsächlich, irgendwie schlage ich die Glocke. An hinterher laufen ist jedoch nicht mehr zu denken. Ich schleppe mich über die Strecke. Zum Glück kommt nichts mehr Wildes und ich bringe auch heute das Band nach Hause. Ich bin am Arsch. Freuen werde ich mich später. Tatsächlich realisiere ich erst am Abend beim Feiern was heute passiert ist.

Wow – was für ein Gefühl.

Team-Relay „The Bavarian Barbarians“ / Carsten, Olli, Stephan, 13.10.19 (von Olli):

Nachdem ich über die 3k-Distanz und dem Fight am „Snake Pit“ viel Kraft gelassen hatte, entschloss ich relativ kurzfristig das zweite Rennen über die 15k auszusetzen, um für die Team-Staffel zu regenerieren. Bei den fiesen Verhältnissen waren auch wirklich nur die Harten im englischen „Garten“ unterwegs. Nicole, Stephan und ich standen während des Rennens am Samstag an vielen Spots der Strecke und feuerten unsere Beklobbten, wie Yvonne, Jana, Claudi, Mirj, Michaela, Markus, Carsten, Kai, John, Mike, Vaidas, Mitch, Lars, Danny (ich hab bestimmt jemanden vergessen!) und viele weiter Ahleten an. Was da abging war ein regelrechtes Schlamm-Massaker! 

Läufer Carsten startete um 10.15 Uhr für unser Team „The Bavarian Barbarians“ auf die Strecke. Wir hatten uns zum Ziel gesetzt, im Idealfall mit dem Band zu finishen aber nicht auf Zeit zu laufen. Und so tauchte Carsten im hinderten Drittel des Feldes nach ca. 35 Minuten aus dem Wald auf und lief mit Band am Arm auf das „Force 5 Rig 1“ und die erste Wechselzone zu. Stephan und ich standen hier bereits eine Weile mit John zusammen, der auf sein schottisches Team wartete. Viele der Läufer hatten Probleme mit dem Hindernis, da alle Griffe bereits sehr verschlammt waren. Aber Carsten packte das Ding im dritten Versuch und übergab mir das Staffelband.

(PS: Was ein „Stairway to Heaven“ auf dem Running-Part einer Staffel zu suchen hat, kann ich mir bis heute nicht erklären. Carsten hat das Monster jedenfalls gekillt!).

Ich war für den Strength-/Kraft-Part vorgesehen und direkt nach dem Wechsel standen drei Carries auf dem Programm. Zuerst eine Atlaskugel, dann eine Art Rohr mit Kette zum Hinterherschleifen und schließlich die aus dem Vorjahr bekannte „Nuclear Bomb“. Alle drei Gegenstände wurden direkt hintereinander in Sternform getragen und was soll ich sagen, es war total easy. Die Gewichte relativ leicht, die Strecken kurz und die Bodenverhältnisse ok. Ohne Probleme machte ich mich anschießend auf meinen Weg durch den Wald, über die „Hurdles“ und zurück Richtung Eventgelände. Kurz vor einem kleinen A-Frame-Cargo warteten Stephan, Carsten, Lars, Nicole und noch einige andere auf mich und feuerten an. Dann ging es direkt ins Zelt zur „Valkyrie“, dem Schlüsselelement auf dem Kraft-Abschnitt. Kurz durchgeschnauft und wie im 3k-Rennen beim ersten Versuch geschafft. Direkt im Anschluss folgte das „Nuclear Rig“, welches man diesmal in umgekehrter Richtung absolvieren musste. Auch kein Problem und so übergab ich das Staffelband nach einer gefühlten Viertelstunde bereits an „Affenmann“ Stephan und schickte Ihn auf den Technik-Teil.

Jetzt regnete es und es war kalt. Carsten und ich hatten im Vorfeld Wärmeklamotten am Deutschlandpavillon gebunkert und die waren auch bitternötig. So warteten wir einigermaßen geschützt mit Blick auf Strecke und letzter Wechselzone auf Stephan. Da er eine Schleife durch den Wald zu laufen hatte, konnten wir Ihn hier nicht begleiten. Aber dann tauchte er grinsend mit Band am Arm auf und schaukelte locker durch die „Gibbons“. Er ist eben das „Äffchen“!

Es folgte die letzte Wechselzone und zu dritt liefen wir nun weiter über den „Triumph“ und zu den „Skitches“. Für die Team-Staffel wurde das Hindernis entschärft und durfte mit bloßen Händen und ohne Einsatz der Haken gehangelt werden. Wir waren erleichtert und erreichten alle die Glocke beim ersten Versuch. Kurz für einen Fotografen posiert, machten wir uns wieder auf den Weg durch einige Wassergräben zum „Yoke-Carry“. Kein Problem und auch die nachfolgenden Hindernisse „Equilibrium“ und „Weaver“ wurden von uns bayrischen Barbaren erobert.

Und da stand Sie dann kurz vor dem Ziel wieder, die 4m-Wall. Die Seile waren bis auf einen kleinen Knoten ganz oben am Ende der Wand entfernt worden und somit die Wand nur durch eine menschliche Pyramide zu überwinden. Stephan und Carsten schoben mich als Ernsten hoch. So konnte ich das Ende der Wand durch einen kleinen Sprung erreichen und mich einhängen. Carsten nahm Stephan auf die Schultern und dieser kletterte dann an mir nach oben. Es fehlte noch Carsten. Dieser sprang Stephan an die Füße, konnte aber meine Hände nicht erreichen, so dass wir nach 2-3 Versuchen die Taktik änderten. Stephan stieg die Wand wieder herab und Carsten wurde nach oben geholt. 

Mittlerweile war es an der Wand so voll, dass wir ca. 10 Minuten warten mussten, um uns wieder einen Spot an der Kante zu erkämpfen. Es herrschte regelrecht Krieg um Platz an der Wand und das englische Schimpfwort „F…“ viel ununterbrochen. Einige Teams zogen sich die Klamotten aus und knoteten Seile daraus. Auf diese Weise haben es tatsächlich ein paar Teams geschafft, viele aber auch nicht. Dann hatten wir endlich ein bisschen Platz, ich hängte mich wieder an die Kante und Stephan sprang von unten an meine Füße. Einmal kurz das „Äffchen“ gemacht, kletterte er problemlos nach oben, BÄM. Der Rest war pure Freude und Erleichterung. Nach ca. 2 Stunden liefen die vom Zielsprecher angefeuerten „Bavarian Barbarians from Germany“ voller Stolz und mit den ersehnten Bändchen an allen drei Handgelenken über die Ziellinie. Was ein Race!

Danke Jungs, dass ich Teil dieses großartigen Teams sein konnte und wiederum Gratulation an alle weiteren Trios, die heute auf der Strecke gekämpft haben. Es war ein grandioses Erlebnis und ein Wahnsinnsabschluss der WM. Das Band trage ich mit Stolz!

Team-Relay „OCR Munich United“ / Mirj, Nicole, Kai, 13.10.19 (von Kai):

Meine Mädels. Nicht erfüllte Erwartungen und eine unerwartete Wendung.

Die Enten meines Handyweckers quaken zum dritten Mal. „Bescheuerte Snooze Taste. Kann die Viecher nicht einer erschießen?“ Yvonne ist wahrscheinlich auch total genervt, hält sich aber höflich zurück. Ich mache die Augen auf, versuche mich zu etwas zu bewegen. „Autsch“ Ich schließe die Augen. „Ob man in Voltaren baden kann?“ „Ach komm schon, Schluss mit jammern. Heute bringe ich meine Mädels ins Ziel. Danach bleibt Zeit zum Regenerieren.“

Mirjam, Nicole und ich! Das ist unser Mixed-Team: OCR Munich United. Ausgerüstet mit OCR Munich Shirt, United-Klebetatoos (Danke Mirjam) und einer extra Portion guter Laune gehen wir an den Start. Heute ist meine Aufgabe die Mädels zu motivieren und im anschließenden Team-Part dafür zu sorgen, dass beide ihr Band behalten. Nicole und ich unterstützten Miriam beim Start und bewegen uns anschließend in die erste Wechselzone, um dort auf Mirjam zu warten. Im Lauf dieser Zeit wird das Wetter, wie die letzten Tage, wieder merklich englisch. Das zerrt am Gemüt. Mirjam kommt lange nicht, stattdessen die ersten Läufer aus den Folge-Startwellen. Ich entschließe mich dazu, ihr ein Stück entgegen zu laufen. Als ich sie entdecke bemerke ich an Körperspannung und Mimik, dass es nicht gut lief. Mist – Sie musste abgeben. Ich versuche sie aufzubauen, aber irgendwann laufen wir still nebeneinander her. Teamspirit braucht keine Worte.

In der Wechselzone ändern wir den Fokus. Abhaken, volle Unterstützung für Nicole. Die ersten Krafthindernisse schafft sie spielend und mit störrischer Ruhe. Dann wartet die Valkyrie auf Nicole. Hier kämpft sie sehr verbissen, doch am Ende fehlt die Idee für eine für sie passende Technik. Auch Nicole muss leider abgeben. OK – dann haben wir jetzt einfach nur noch Spaß am Parcours. Meinen Technik-Part haben die Veranstalter etwas entschärft und sehr kurz gehalten. Schmerzen spüre ich auch nicht mehr und irgendwie komme ich auch heute durch.

Im Teampart sind die Akkus allerdings leer. Ich mache gute Miene zum bösen Spiel. „Die Mädels motivieren und mit Spaß ins Ziel.“, das ist meine Idee für den letzten Streckenabschnitt. Doch es kommt anders. Nicole und Mirjam haben eigene Pläne und anstatt, dass ich die Rolle des Motivators umsetzten kann, schreien die beiden mich über die letzten Hindernisse. Am allerletzten Hindernis warten viele unserer Teammitglieder des OCR-Munich. Bis hier her habe ich tatsächlich, dank der Unterstützung der zwei Ladys, noch mein Band.

Für das letzte Hindernis, die große Wand – heute ohne Seil, hatten wir im Vorfeld viele Ideen. Alle Ideen basierten jedoch darauf, dass Mirjam und Nicole noch ihr Band haben und ich sie darüber bringe. Jetzt „opfern“ die beiden sich und werfen mich über die Mauer, um dann im Anschluss die Wand zu umgehen. Mein emotionalster Moment der WM. So findet auch das dritte Band den Weg an meinen Arm.

Vielen Dank ihr zwei. Das ist euer Band!

Schlusswort (von Olli):

Bevor nun das kurze Resümee kommt, muss der Vollständigkeit halber noch gesagt werden, dass nach dem Team Relay noch das Open Race aka Charity Race stattfand. Und auch hier legten einige tapfere OCR Munich Kämpfer wie Carsten, Yvonne, Mitch, Michaela oder Denny bei ekelhaftem Wetter ein starkes Finish hin, Gratulation!

Leider war alles viel zu schnell wieder vorbei und direkt nach den Rennen am letzten Tag verabschiedeten sich die Leute in alle Himmelsrichtungen. Die einen gleich zum Flughafen, die anderen Richtung London oder zurück in Ihre Hotels. Abends trafen Nicole und ich uns noch mit Jana, Michi und Sven in London in einem traditionellen English Pup an der London Bridge zum Abendessen und chickenwingten mangels Griffkraft noch ein paar Bier. Naja, ganz so schlimm war es nicht aber solche oder ähnliche Bilder kursierten bereits überall in den entsprechenden Social-Media-Kanälen der WM. „Chickenwing“, das (Un-)Wort der diesjährigen WM. Für die Drei ging es am Folgetag auch zurück, Nicole und ich aber hatten noch zwei Tage mehr zur Verfügung, um als Touristen London unsicher zu machen.

Meine erste WM lief für mich viel besser als erwartet, obwohl ich eigentlich für drei Rennen gemeldet hatte und nur zwei gelaufen bin. Aber 15km mit 75 Hindernissen auf einer Schlammpiste sind einfach nichts für einen Kampfkoloss und somit bereue ich mein DNS auch nicht. Dafür durfte ich ein Team-Band mit nach Hause nehmen und war auf der 3k-Distanz ganz nah dran. Und das motiviert für mehr. Nach der Sonnenschein-WM im letzten Jahr an gleicher Stelle war es wohl für viele Wiederholungstäter nicht ganz so schön und ich kann mir vorstellen, dass stimmungstechnisch das Wetter einiges verhindert hat. Sportlich war es aber knallhart und herausfordernd und so soll ja eine WM auch sein. Organisatorisch top, Streckenführung gut, die Hindernisse laut Aussagen einiger Wiederholungstäter zwar teilweise leichter als 2018 aber durch das Wetter wiederum unberechenbarer, Merchpreise definitiv zu hoch bei zu wenig Auswahl, aber alles in allem ein würdiger Event für eine OCR World Championship.

Das war es dann also! Nach der Spartan Trifecta World Championship im November 2018, der EM in Polen im Juni und der WM jetzt in London meine dritte internationale Meisterschaft innerhalb von 12 Monaten. Beklobbt! Damit hätte ich niemals im Leben gerechnet. Aber je oller, je doller, oder wie heißt der kluge Spruch! Egal, einfach großartige Erlebnisse mit verrückten Leuten. Danke dafür und danke OCR Munich für diese Möglichkeiten!

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