Celtic Warrior 2019: Goldmarie und die Krieger…

von Mirjam

Viele Schauergeschichten wurden mir von diesem Lauf erzählt. Und bei allen Rennen sonst so fallen die Läufer in den Celtic-Warrior-Shirts schon auf. Die trifft man gefühlt überall. Ähnlich dem Getting Tough scheint dies so ein Rennen zu sein, was der veritable OCRler einfach mal gemacht haben muss. Gesagt – getan, schon letzten Sommer hab ich mich angemeldet. Nachdem es nach Sparta aufgrund von Verletzungen und Krankheiten rapide bergab ging mit meiner Form sank die Motivation und Vorfreude auf dieses Rennen in gleichem Maße. Bis hin zum Status der Panik!

Durchgesetzt hat sich wie immer der Berner Dickschädel. Die sind bekannt für ihre Sturheit. Rennen und Unterkunft sind bezahlt, also gibt’s kein Weg dran vorbei.

Schon die Anreise stand unter einem, nunja, unglücklichen Stern. Wir alle hatten den Beginn der Faschingsferien und damit das zu erwartende Verkehrsaufkommen nicht aufm Schirm. Da einige von uns, ich auch, am Vormittag noch arbeiten mussten konnten wir aber nicht früher abfahren. So haben wir also etwas mehr Zeit auf der Autobahn, vor allem rund um München, verbracht.

Mit einer knappen Stunde Verspätung kamen wir im Zillingtal an und freuten uns sehr, mit der Warrior-Kerntruppe ein sehr leckeres Kohlehydrate lastiges Abendessen zu genießen. Auch der CheckIn im Hotel gestaltete sich etwas komplizierter, aber auch dieses Hindernis haben wir überwunden und lagen rechtzeitig brav in unseren Bettchen.

Der nächste Morgen erwartete uns mit Regen, strömendem Regen. Auweh…… uns war schnell klar, keine optimalen Voraussetzungen fürs Gelände. Matsch-verschmierte Hindernisse sind gefährlich und kosten mehr Zeit wie üblich, das wissen wir alle. Egal, Antreten!

Nici und Chris sind bereits los, die Ultras starten ja sehr früh. Denny, Lars, Steven und Sven starten auf der 30 km Distanz, die können wir dann am Gelände schon anfeuern. Jana, Anett, Florian und meine Wenigkeit sind erst um 13 Uhr auf der 15 km Runde dran. Als letzte gehen Stephan, Moni und John auf die Kurzstrecke mit 8 km.

Das Rennen beginnt mit einer kurzen Laufstrecke Richtung Wald, in dem es Zig-Zak inkl. Hindernissen (Wände, Over-Under, durch Reifen springen 😉 etc.) geht. Schön nützlich um das Feld gleich mal auseinander zu ziehen. Die Schräge des Geländes in Kombination mit der Nässe des Regens tut ihr übriges damit man nicht konsequent Vollgas geben kann. Über eine Schleife geht´s zurück in den Zielbereich mit den geballten Hindernissen die erst mal für schön Puls sorgen. 3m-Walls, Kriechen, Gestänge zum Überwinden und das altbekannte Highrig mit den schönen Griffen (wie bei uns am Gelände) und diese eeeelenden Container die mit Reifen gefüllt sind. So geballt habe ich das ja noch nie erlebt und hatte das erste überraschende Erlebnis des Rennens: Ich sehnte mir eine Laufstrecke herbei! Ich! Die ich sonst ja nix mehr hasse wie Laufen! Lasst mich endlich wieder ein paar hundert Meter laufen!!! Nach 1h für 1,5 km (!!!) ist es dann soweit, wir können laufen. Es geht rein ins Gelände, ab in die Natur. Es folgt das nächste Hinderniss-Nest in Form von sehr vielen Crawls in unterschiedlicher Ausprägung. Mal einfach nur sehr lang inkl. ums Eck krabbeln oder aber mit zusätzlich ausgehobenen Gräben die dann mit Wasser gefüllt wurden und drüber eine Plane oder auch die Kombination von Crawl über Autoreifen und sogar kleine Wände. Da ist auch das tolle Foto entstanden, dass zum Running Gag auf der Facebook-Seite von Celtic Warrior wurde. Da hab ich noch gelacht….. Dann kam das Wasser. Erst mal „nur“ Hüfthoch. Rein-raus-rein-raus gefühlt nimmt es kein Ende. Dann noch ein paar hundert Meter lang durch einen kleinen Kanal, Knöchel- bis Knietief (je nach Größe halt….). Anett löst mal nebenbei und so zur Ablenkung ein Argumentatives Problem, das sie schon lange beschäftigt. Ich lass mich gerne von ihren Ausführungen ablenken. Ab dem Punkt, wir befinden uns noch nicht mal auf der Hälfte des Rennens, ist mir kalt. Das erste Mal beginne ich zu zweifeln, ob ich dieses Rennen durchhalte. Ich denke darüber nach, wie es wäre aufzugeben. Aber ich hab noch die Hoffnung, das wird schon wieder. Es geht jetzt Richtung des berühmt-berüchtigten Hexenwaldes. Über offenes Gelände, Laufstrecke. Es wird erst mal nicht besser mit der Wärme. Vorm Hexenwald ist nochmal ein Verpflegungsposten mit heißem Tee. Die Jungs sind ganz besorgt, wir könnten uns an dem heißen Tee verbrühen und wollen kalten nachgießen. Nix-da! Mir ist scheißkalt und ich trag Neoprenhandschuhe. Da verbrüht nix. Der Tee ist lecker. Und hilft. Ein wenig. Ab in den Wald. Dass es da verhältnismäßig Windstill ist, ist grad der einzige Vorteil. Es folgt ein sich schlängelnder Kurs durch den Wald, immer schön Hügel hoch und Hügel runter, viele Quer- und Schrägpassagen. Das ganze in 20 cm Matsch. „Halt“ ist ein Fremdwort und bieten maximal die Bäume. Dann natürlich noch ab und an ein umgestürzter Baum den man überwinden muss oder ein sehr tief hängender Ast den es zu Unterqueren gilt. So wirklich zügig kommt man da nicht voran. Nach dem Hexenwald sagte meine Uhr erst knapp 8 km und schon über 2,5 h aufm Tacho. Ähja….. Hälfte des Rennens, ich schon fix und fertig, durchgefroren und mein Angstgegner, der See, liegt noch vor uns. Wieder die Gedanken ans Aufgeben. Was gewinne ich wenn ich weitermache? Wäre es nicht einfacher und vor allem gesünder aufzuhören? Kurz vorm Ende des Hexenwaldes kommt uns ein Helfer entgegen, der eine bereits abgelegte Rettungsdecke eines Läufers vor uns eingesammelt hat. Die hab ich gleich mal kassiert und mir um den Oberkörper gepackt. Von da an bin ich als Goldmarie unterwegs. Die Decke hält wenigstens den Wind ein wenig ab und gibt mir die Illusion nicht noch mehr auszukühlen. Bis zum See ist es dann wieder verhältnismäßig einfaches Joggen über Felder, nur unterbrochen von zwei Tiefladern die es zu überqueren gilt. Eine weitere Wall, ein kleiner Carry (Strafrunde für nicht geschafftes Hangel-Hindernis) und wir sind am Wärme-Zelt am See. Hier kreuzen wir Lars, der kommt grad ausm Wasser. Mit beiden Händen versucht er zitternd-schlotternd einen Becher heißen Tee zum Mund zu führen. Klingt lustig – ist es nicht! Ganz und gar nicht! Meine Panik meldet sich wieder. Aber jetzt mischen sich schon fatalistische Gedanken in die Panik. Jetzt haste´s so weit geschafft, jetzt geht der Rest auch noch irgendwie. Stirnband abgelegt und Badehaube angelegt und ab Richtung See. Hier erst noch einmal ein wenig durch Wald, alles in Schräglage und mit Matsch und Rutschig, so sehr, dass an einigen Traversen sogar mit Spannbändern so was wie Geländer gespannt sind. Ohne wärs glaub ich auch nicht zu machen. Dann Wasser. Erst mal geht es der Uferpromenade entlang, man ist ca. Bauchtief im Wasser. Gar nicht soooo kalt wie ich erwartet hatte. Dann dem Steg entlang durch die Röhre. HAH endlich wieder den Größenvorteil ausspielen. Weiter geht´s unter Netzen durch. Auch unkritisch. Dann kommen sie, die drei Baumstämme die untertaucht werden müssen. Brainfreeze!!! Im klassischen Mädchen-Style, mit der einen Hand die Nase zuhalten, die andere Hand am Baumstamm gings unter dem ersten durch. Und unter dem zweiten. Und unter dem dritten. Die anwesenden Feuerwehr- und Seeretter haben alle Teilnehmer Drill-Seargent-mäßig durchgebrüllt. Es kam dann nur noch dieses Hindernis im A-Frame-Style. Hochklettern und auf der anderen Seite runter-rutschen in den See. Und das wars auch schon mit meinem Angstgegner. Der Carry im Anschluss läßt direkt keine Chance zu frieren. Ein kleiner Uphill-Crawl und eine noch kleinere Tyrolean Traverse und schon sind wir wieder am Ausgangspunkt. War nicht annähernd so schlimm wie erwartet. Trotzdem im Wärme-Zelt noch einen Tee schnappen und eine neue goldene Rettungsdecke. Sicher ist sicher. Sollte sich bewähren. Wieder zurück über die Tieflader geht´s auf die nächste Laufstrecke. Wieder über offenes Gelände. Mit der Gold-Decke mach ich ganz schön Lärm. Ich hab nur noch dieses Rascheln im Ohr. Erneut die Gedanken ans Aufgeben. Die Uhr sagt noch viel zu viel Weg voraus. Laut Anett, die nach wie vor an meiner Seite ist, kommt jetzt nur noch ein Carry-Hindernis und dann zurück zum Gelände. „Nur noch“….. Ich bin so fertig. Mir ist kalt und die aufziehende Dunkelheit fördert die Moral nicht gerade. Wir stehen jetzt schon unter scharfer Beobachtung der Helfer die im Auto oder Quad unterwegs sind. Ein sicheres Zeichen dafür, dass wir zu den Letzten zählen. Da ist doch dieser TimeCut?! Verweigern die uns die Medaille wenn wir nicht rechtzeitig ins Ziel kommen? Diese Fragen verunsichern uns jetzt doch sehr. Aufgeben wäre so einfach. Aber jetzt werd ich bockig. Ne, jetzt hab ich es bis hierher geschafft, jetzt muss der Rest auch noch gehen. Der Carry ist ein Wiedersehen mit einem Altbekannten. Dem Sandsack Kirchheim-Style nämlich. Genau diese grünen Würste die wir auch am Gelände haben. Es gilt dann den Sandsack den Hügel hoch und wieder runter zu tragen. Das geht sogar ohne dass ich mir meine geliebte Rettungsdecke kaputt mache. Dann wieder laufen. Dann dachte ich es schlägt dreizehn! Nochmal durchs Wasser. Dreimal. Hab ich geflucht! Mittlerweile haben die Streckenposten schon Fackeln entzündet. Glückwunsch! Egal, das Ziel kann nicht mehr fern sein. Die Uhr zeigt 15 km. Es kommen noch ein paar wenige Crawls, hier büß ich die Rettungsdecke dann doch ein und dann sind wir wieder im Ort. Häuser, Zivilisation, das Ende kann nicht mehr fern sein. Es ist mittlerweile Dunkel. Also Pechschwarz, wir sind ja am Dorf und nicht in der Großstadt. Plötzlich wird die Streckenführung unklar. Keine Beschilderung, keine Kennzeichnung, Kein Mensch den man fragen könnte. Wir blicken uns unsicher an. Wo geht´s jetzt lang? Wir hören Stimmen, da kommen zwei Menschen. Ich hätt heulen können vor Glück. Es waren nicht irgendwelche Menschen. Nici und Stefan Teufner hatten sich aufgemacht uns zu suchen um uns nach Hause zu bringen. Der rechte Weg ist schnell gewiesen und wir stehen im Zielgelände. Grad ganz und gar nicht unglücklich drüber, dass hier die meisten Hindernisse wegen fehlender Beleuchtung und zu viel Matsch gesperrt sind. Also nur noch einmal dem vorgezeichneten Weg entlang, den letzten Crawl mitgenommen und ab über die Ziellinie. Da ist sie, die Medaille. Es haben tatsächlich noch Leute gewartet dass wir ins Ziel kommen und wir sind echt glücklich die Medaille umgehängt zu erhalten. Der letzte Kilometer ohne die goldene Decke hat mir schon wieder so zugesetzt, dass ich jetzt nicht mehr aufhören kann zu schlottern. Nici drückt mir die RedBull-Dose in die Hand, ich muss sie mit beiden Händen zum Mund führen und kann nur kleine Schlucke trinken. So was hab ich noch nie erlebt. Der Weg zum Auto, Rucksack schnappen, zum Duschzelt ist nun beileibe nicht weit. Mir kommt es vor wie eine Ewigkeit. Schlotternd geht alles viel langsamer. Das Duschzelt ist geheizt (es dampft!) und die Duschen sind noch warm! Der absolute Luxus und meine Rettung. Ausziehen ist mir noch nie so schwer gefallen. Aber die heiße Dusche hat es dann doch geschafft, zumindest einige Lebensgeister zurückzubringen. Schnell rüber ins Zelt, da gabs dann auch gleich was zu essen. Und die Siegerehrung. Viel krieg ich nicht mehr mit. Bald ist Aufbruch. Alle sind fertig. Erst am nächsten Tag kann ich anfangen zu realisieren und auch die Leistung der anderen wahrnehmen:

Nici hat leider nach 2 Runden beim Ultra ausm Rennen aussteigen müssen. Gezwungenermaßen wegen TimeCut. (Anm.d.Red. von 8 Frauen ist 1 beim Ultra durchgekommen und da noch nicht mal ganz fair weil nicht alle Hindernisse gemacht).

Chris hat durchgezogen und seine Ultra-Medaille. Alter, ich bin sprachlos! Wahnsinns Leistung!

Sven, Lars und Steven haben die 30 km gefinished. Steven sogar auf Platz 2! Irre!

Denny hat nach einer Runde abgebrochen und wird zu den 15 km gezählt. Hier finden sich dann auch Jana, Anett und ich. Jana auf Platz 6! Herausragend! Damit Quali für die Meisterschaften. Herzlichen Glückwunsch!

John, Moni und Äffle haben die 8 km gerockt. Stephan hat so Gas gegeben, dass er mit Platz 9 ebenfalls die Meisterschafts-Quali eingetütet hat. Herzlichen Glückwunsch!

Fazit: Sehr gute Organisation. Von A-Z voll motivierte super tolle Helfer auf der ganzen Strecke. Auch nach 10 h Einsatz noch! Respekt dafür! Schönes Start-Ziel-Gelände inkl. Festhalle mit Top-Verpflegung. Und nicht zu vergessen das warme Duschzelt. Mein Highlight.

Nun zur Strecke und zum Rennen. Ja es war nicht so kalt wie letztes Jahr, aber gefühlt wohl härter. Sagen zumindest die, die das Kälterennen letztes Jahr auch schon gemacht haben. Selbst Sven meinte, wäre härter gewesen als der Getting tough. Das hat mich eeeetwas beruhigt. Hab nämlich schon sehr gezweifelt. War mein bisher härtestes Rennen und ich bin mental definitiv an meine Grenzen gekommen. Und wisst ihr was? Nie wieder! Winter-Rennen sind nichts für mich. Diese Scheiss-Kälte und nass und bäh. Ne. Einmal reicht. Aber ich hab da was läuten hören von nem Sommer-Warrior…… Daaaa wär ich dann wieder mit dabei 😉

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